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Christian Lindner
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Frage von Klara W. •

Frage an Christian Lindner von Klara W. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Lindner,

"Es sterben jedes Jahr um 2000 Menschen auf der Warteliste." https://aok-bv.de/presse/dpa-ticker/index_21957.html

An welchen Ursachen sind diese Personen gestorben und um wieviel länger hätten sie mit einem fremden Organ gelebt?

Wieviel Menschen sterben pro Jahr an anderen Ursachen als einzig an einem vollständig funktionsunfähigem Organ?

In dem Artikel https://www.sueddeutsche.de/politik/interview-der-brustkorb-hebt-und-senkt-sich-1.4266876 berichtet eine Transplantations­beauftragte über extreme Situationen im Umgang mit Angehörigen eines potentiellen Organspenders, sie sagt "Die Familie hat schon genug damit zu tun, den Tod ihres Partners, Geschwisters oder Kindes zu verarbeiten und dann kommen wir noch mit dem Thema Organspende...." Weiterhin berichtet sie von einem Mädchen, das wegen einer Mandel-OP ins Krankenhaus kam, dabei verstarb und daraufhin einer Organentnahme unterzogen wurde. Die Eltern hatten es so gewollt. In einem anderen Fall hat die Großmutter einer Patientin widersprochen.

Wie ist es möglich, dass Aussenstehende und nicht die Person selbst (auch junge Menschen sind denkende und fühlende Wesen), ausschließlich darüber entscheiden, was mit dem sterbenden aber noch lebenden Körper ("Menschen, die hirntot sind, nicht wie tot wirken. Ihr Körper ist warm, der Brustkorb hebt und senkt sich durch die Maschinen") geschieht? Ist die aktuelle Gesetzeslage nicht so, dass ohne eine ausdrückliche und nachgewiesene Zustimmung einer Person, eine Organentnahme nicht durchgeführt werden darf und bei Minderjährigen gänzlich ausgeschlossen ist?
Was geschieht in den Fällen, in denen keine Angehörigen da sind und wie stellt man fest, dass Angehörige ausschießlich im Sinne der betroffenen Person handeln?
Wie hoch ist der Prozentsatz der Spender, die keinen Spendeausweis hatten und von Aussenstehenden zur Organentnahme freigegeben wurden und mit welcher Begründung ist die Freigabe in diesen Fällen erfolgt?

Vielen Dank.
Klara W.

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Sehr geehrte Frau Waldmann,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Sie haben Recht: Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Transplantationsgesetz (TPG) ist für eine Organentnahme grundsätzlich Voraussetzung, dass der Organ- oder Gewebespender in die Entnahme eingewilligt hat. § 4 Abs. 1 TPG sieht jedoch eine ausdrückliche Ausnahme vor: Wenn weder eine schriftliche Einwilligung noch ein schriftlicher Widerspruch des potenziellen Spenders vorliegt, soll dessen nächster Angehöriger über die Entnahme entscheiden. Der Gesetzestext spricht hier ganz klar von dem 'nächsten Angehörigen' – also nicht einem beliebigen 'Außenstehenden'. Der Angehörige kann also über die Entnahme entscheiden, wenn ihm keine Erklärung des potentiellen Spenders bekannt ist. Dabei sollte der Angehörige, der ein Kontaktverhältnis zu dem potentiellen Spender aufweisen muss, selbstverständlich den mutmaßlichen Willen des potenziellen Spenders beachten (§ 4 Abs. 1 Satz 4 und 2 Satz 1 TPG). Existiert kein Angehöriger, der nach § 4 TPG herangezogen werden kann, sowie keine Person, welcher der potenzielle Spender gemäß § 4 Abs. 3 TPG eine entsprechende Entscheidungskompetenz übertragen hat, so ist eine Entnahme nicht legitimiert.

Das von Ihnen angesprochene Verbot der Organentnahme bei Minderjährigen ist in § 8 Abs. 1 Nr. 1a TPG aufgeführt und bezieht sich ausschließlich auf die Durchführung einer Lebendspende.

Im Allgemeinen lässt das Nichtvorliegen eines Spenderausweises keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Einstellung eines potenziellen Spenders zur Organspende zu. Das zeigt auch die erhebliche Diskrepanz zwischen positiver Einstellung zur Organspende (84 Prozent) und dem Besitz eines Spenderausweises (36 Prozent) in Deutschland. Über die individuellen Begründungen der Angehörigen liegen mir keine Daten vor. Eine Rechtfertigung des Angehörigen muss nicht erfolgen und wäre seitens des Arztes im Übrigen auch nicht nachvollziehbar.

Mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner

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