Frage an Christian Lindner von Erika A. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Lindner,
mein Mann übernahm mit 46 Jahren eine Sanitär- und Heizungsfirma (da machte er auch schon mit15 seine Lehre). Nun sind wir in Rente. Nach 48 Berufsjahren bekommt er eine Rente von 1.089,94 €.
Er arbeitete auf den Baustellen voll mit. Er machte nie vor 20.00 Uhr Feierabend. Am Wochenende war er meistens Büro, um die Arbeiten zu erledigen, für die er werktags keine Zeit fand.
Es gab gute und auch schlechte Jahre. In den Schlechten war der Verdienst meines Mannes geringer als das unserer Mitarbeitern.
Aber eins können wir mit guten Gewissen sagen, unseren Mitarbeitern haben wir immer ordentliche, anständige Löhne gezahlt.
Wir haben 3 Kinder und 4 Enkelkinder.
In unserem reichen Land gibt es Kinder- und Altersarmut.
Es wäre endlich mal Zeit, nach den Ursachen dieser Armut zu schauen.
Der gesetzliche Mindestlohn auch nach aktuellen Erhöhung ist zu niedrig.
In vielen Branchen gehen selbst Fachkräfte oft nur mit gesetzlichen Minimum nach Hause. Die zunehmende Tarifflucht ist Hauptgrund dafür, dass seit Jahren viele Menschen in Niedriglohnsektor gefangen sind. In den Tarifverträgen sind meist deutlich höhere Löhne, auch in den unteren Lohngruppen, vereinbart.
Wer nach Tarif zahlt, der hat auch zufriedene Mitarbeiter, die sich in der Arbeit engagieren.
Niedriglöhne sind zwar eine wirksame Kosmetik für die Arbeitslosigkeit, aber der Preis ist sehr hoch!
Zu wichtigsten Zielen müssen möglichst hohe Löhne und Renten für möglichst viele Menschen gehören,
d. h. nicht unmöglich hoch, aber am oberen Rand dessen, was möglich ist.
Eine Wirtschaft muss auch ohne Wachstum funktionieren und die öffentliche Haushalte ausreichend finanzieren.
Wenn man wesentlich mehr verdient als Hartz IV, ist der Anreiz größer arbeiten zu gehen!
Arbeit muss sich lohnen, ohne arme Eltern gibt es keine arme Kinder!
Alles andere sind Reparaturarbeiten, bürokratische Monster, Milliarden mit Gießkanne verteilen.
Herr Lindner, ich möchte gern dazu ihre Meinung hören!
Sehr geehrte Frau A.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht.
Ich stimme Ihnen zu, dass es im Sinne der Leistungsgerechtigkeit gerade im unteren Lohnbereich einen größeren Unterschied als bisher machen muss, ob man arbeiten geht oder nicht.
Einen politisch festgelegten Mindestlohn halte ich aber nicht für richtig. Selbst wenn dieser 1-2€ höher ausfiele, kämen wir dem Ziel, Menschen aus eigener Kraft in deutlich höhere Löhne und Renten zu bringen, nicht merklich näher - er wäre auch willkürlich gewählt. Die eingesetzte unabhängige Mindestlohnkommission ist da schon ein guter Kompromiss. Übrigens ist gerade für kleine Betriebe auch der Mindestlohn ein Bürokratiemonster, denken Sie etwa an die Dokumentationspflichten.
In Ihrer Beschreibung klang ja bereits an, dass innerhalb der Tarifverträge meist höhere Löhne gezahlt werden und die Zufriedenheit steigt. Wir Freie Demokraten sind Verfechter der Tarifautonomie. Zudem müssen wir uns viel mehr Gedanken über die Qualifizierung von Arbeitskräften machen. Das fängt bei den Schulabbrechern an und geht bei der Aus- und Weiterbildung im Erwachsenenalter weiter. Wir wollen nicht mehr Geld mit der Gießkanne verteilen, sondern bei jedem Euro fragen, ob er nicht besser in Qualifikation als in Transferzahlungen investiert werden kann. Ziel ist ein möglichst kurzer Verbleib im Niedriglohnsektor, der vielleicht einmal als Einstieg diente.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner