Frage an Christian Lindner von Helmut S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Lindner,
vielen Dank für Ihre Antwort. Leider ist sie sehr unbefriedigend.
Die einzige Aussage, in Ihren Ausführungen, die sich auf meine Frage bezieht ist diese:
Die Begriffe „Ethnische Säuberung“ oder „ethnische Vertreibung“ treffen die Situation jedoch nicht.
Bevor ich von den Zahlen aus der EU-Studie erfuhr, ging ich zwar von Menschenrechtsverletzungen, nicht aber von ethnischer Vertreibung in den C-Gebieten der Westbank aus. Aus meiner Sicht begründen diese Zahlen mindestens eine Indizienlage dafür, daß ethnische Vertreibung vorliegt.
Vor dem Hintergrund der vorgetragenen Zahlen ist es keine Antwort einfach zu konstatieren, ethnische Vertreibung liege nach Ihrer Ansicht nicht vor.
Eine begründete Antwort muß sich doch auf den vorgetragenen Sachverhalt beziehen. Wenn Sie diese Zahlen bestreiten, dann nennen Sie die aus Ihrer Sicht richtigen. Wenn Sie der Meinung sind, daß trotz dieser Zahlen keine ethnische Vertreibung vorliegt bzw. dies nicht mindestens eine entsprechende Indizienlage begründet, dann haben Sie doch sicher Argumente dafür?
So wie Sie antworten muß ich Ihnen glauben, d.h. auch ich muß glauben, was ich selbst früher geglaubt habe. Dieser Glaube wurde aber durch die EU-Studie erschüttert. Ich finde eine Volksvertreter, zumal ein Liberaler, sollte überzeugen und die Bürger nicht auf das Glauben verweisen.
Im Jugoslawienkonflikt 1993 wurde ethnische Vertreigung von Rechtsexperten der UNO wie folgt definiert:
:".... die gezielte und geplante Entfernung einer spezifischen ethnischen Gruppe aus einem bestimmten Gebiet mittels Gewalt oder Einschüchterung zu dem Zweck, dieses Gebiet ethnisch homogen zu gestalten" ( https://en.wikipedia.org/wiki/Ethnic_cleansing_in_the_Bosnian_War )
Demnach kommt es nicht auf die eingesetzten Mittel, sondern auf den Zweck an, ein bestimmtes Gebiet ethnisch homogen zu gestalten. Genau dies trifft auf die C-Gebiete der Westbank zu.
MfG
H. S.
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Rückfragen. Aus Sicht der Freien Demokraten handelt es sich in diesem Fall nicht um eine ethnische Säuberung.
Erstens ist der Begriff der "ethnischen Säuberung" im Völkerrecht nicht abschließend definiert, wird aber vor allem seit den 90er Jahren vermehrt benutzt und oft synonym mit Völkermord verwendet. Die UN-Menschenrechtskommission definierte 1992, dass ethnische Säuberungen mit Deportationen und gewaltsamen Massenentführungen oder Vertreibung von Personen aus ihren nationalen Häusern in eklatanten Menschenrechtsverletzungen einhergingen, die darauf abzielten, ethnische oder religiöse Gruppen umzusiedeln oder zu vernichten.
Zweitens beziehen sich die von Ihnen zitierten 5,8 Prozent auf die gesamtpalästinensische Bevölkerung in der Westbank im Jahr 2011. Die Europäische Kommission schätzt, dass heute bei einer Gesamtbevölkerung von 4.8 Millionen Palästinensern 2,8 Millionen in der Westbank und in Ostjerusalem und etwa 300.000 Menschen in Area C leben. Damit liegt seit den Osloer Verträgen der größte Teil der Landmasse (Area C) in der Verwaltung der Israelis, während der bevölkerungsreichste Teil der Westbank (Area A) von den Palästinensern verwaltet wird. Gerade in Area C und in Ostjerusalem müssen Palästinenser oft jahrelang auf Baugenehmigungen warten oder stehen im Alltag vor dem Problem wie sie auf Grund der Straßensperren und Checkpoints von ihrem Wohnort zu ihrem Arbeitsplatz gelangen.
Drittens steht für uns Freie Demokraten fest, dass Deutschland und Europa enge Beziehungen zu Israel pflegen sollten und die Zusammenarbeit auf Regierungsebene intensivieren müssen. Wir stehen klar zur Zwei-Staaten-Lösung und ermuntern beide Seiten zu direkten Gesprächen. Meine Fraktion spricht sicher gegen den Ausbau der Siedlungen aus und kritisiert die jüngsten territorialen Zugeständnisse Donald Trumps, da das Herausbrechen einzelner Gebiete eine Lösung schwieriger macht.
Für einen tiefergehenden Austausch wenden Sie sich gerne an die Fachpolitiker unserer Fraktion.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner