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Christian Lindner
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Frage von Yannick G. •

Frage an Christian Lindner von Yannick G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Lindner,
seit einigen Tagen macht der Integrationsminister aus NRW mit dem Vorschlag eines Kopftuchverbots für Mädchen Furore. Den Medien nach stimmen Sie dem Vorschlag erstaunlicherweise zu:
https://www.n-tv.de/politik/FDP-Chef-Lindner-fordert-Kopftuchverbot-article20373739.html
https://www.focus.de/politik/deutschland/staerke-die-persoenlichkeitsentwicklung-der-kinder-fdp-chef-christian-lindner-unterstuetzt-vorschlag-zu-kopftuchverbot-fuer-junge-maedchen_id_8728647.html
http://www.taz.de/!5496780/

Ob so ein Verbot verfassungsgemäß sein kann, sei dahingestellt, mich verwundert vielmehr, dass ich mich nicht erinnern kann, dass die FDP ein Verbot gefordert hatte, als die (religiöse) Beschneidung von Jungen gesetzlich erlaubt wurde. Ich erinnere mich auch nicht, dass Sie persönlich ein Verbot der Beschneidung gefordert hätten.

Die Position der FDP - und Ihre - scheint zu sein, dass das Tragen von Kopftüchern nicht hinnehmbar in die Religionsfreiheit betroffener Mädchen eingreift und verboten werden müsse, während der ungleich schwerwiegendere - weil irreversible - Eingriff einer Beschneidung, Jungen ohne Weitere zuzumuten sei, ja geradezu die Religionszugehörigkeit fördere, sodass die Eltern dies frei entscheiden können, mglw. auch gegen den Willen des Kindes.

Der Widerspruch ist offensichtlich:
Wenn Kinder bis zum 14. Lebensjahr unmündig sind, eine eigene Religionsentscheidung zu treffen, wie kann es sein, dass Mädchen vor dem Kopftuch geschützt werden, Jungen dagegen nicht vor einer gesetzlich ausdrücklich erlaubten Beschneidung?

Ich glaube nicht, dass eine solche Ungleichbehandlung vor dem Verfassungsgericht bestehen könnte.
Daher meine Frage: Wenn Kinder bis zum 14. Lebensjahr Religionsunmündig sind, wie kann die FDP ein Kopftuchverbot ohne ein Verbot der Beschneidung fordern? Müsste sich die FDP als Partei der Grundrechte nicht für die Rechte aller religionsunmündigen Kinder einsetzen und somit auch für ein Verbot der Beschneidung eintreten?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr G.,

haben Sie viele Dank für Ihre Nachricht.

Mit Ihrer Frage greifen Sie ein Thema auf, zu dem es innerhalb unserer Partei unterschiedlichen Meinungen gibt – mit religiösen bis säkularen Tendenzen. Für mich sind die religiöse Beschneidung und das Tragen eines Kopftuches nicht zu vergleichen.

Das Ritual der Beschneidung hat im Judentum und Islam eine lange Tradition. Dies ist zu vergleichen mit den christlichen Sakramenten: Wie die Taufe ist die Beschneidung eine Einführung in den islamischen oder jüdischen Glauben. Dem Glaubensverständnis nach handelt es sich um eine Begegnung zwischen Gott und Mensch.

Das Tragen des Kopftuches stellt weniger ein solches Ritual dar. Es ist dem Glaubensverständnis nach eher eine religiöse Tradition, die zudem nicht durch alle gläubigen Muslima jeden Alters ausgeübt wird. Vielmehr handelt es sich um eine Interpretationsfrage von entsprechenden Passagen des Korans. Das Kopftuch hat zudem eine hohe, nach außen sichtbare Symbolwirkung, die soziale Rollen festlegen könnte. Meiner Meinung nach sollten daher religionsunmündige Mädchen nicht dazu gedrängt werden können, ein Kopftuch zu tragen. Eine Empfehlung der Schule, darauf zu verzichten, halte ich für richtig.

Religiöse Beschneidungen sind übrigens nicht bedingungslos gesetzlich erlaubt. Gemäß § 1631d des Bürgerlichen Gesetzbuches muss es eine medizinische Vorbereitung geben, um eine religiöse Beschneidung durchführen zu können. Es ist fraglich, ob ein grundsätzliches Beschneidungsverbot die tatsächlich vorgenommenen religiösen Beschneidungen verhindern könnte. Durch die Regelung des § 1631d ist immerhin sichergestellt, dass die Beschneidungen medizinisch beaufsichtigt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner

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