Frage an Christian Lindner von Michael K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Lindner,
gerade las ich, dass die FDP für einen ´Austritt Griechenlands aus dem Euro´ sei - Sie wurden diesbezüglich zitiert als FDP-Vorsitzender. Das halte ich für fragwürdig. Ein wesentlicher Punkt für mich als Bürger ist, dass deutsche Bürger in Griechenland praktisch alles tun können, was Griechen tun können (Ausnahme ist: wählen). Daher sehe ich sogar echte Transfers nach Griechenland nicht anders als solche in industriearme deutsche Regionen (z.B. nach Mecklenburg). In den Medienkampagnen wird dieser Aspekt zwar kaum erwähnt, aber von einer Partei wie der FDP erwarte und erhoffe ich, dass sie nicht dem Boulevard hinterherläuft und schon gar nicht der ´AfD´. Ein weiterer Punkt ist, dass die Frage ´Euro oder nicht´ meines Erachtens reine Symbolpolitik ist. Ob ein Land den Euro hat oder nicht, sagt wenig bis nichts aus über die wirtschaftliche Lage und die wirtschaftliche Beziehung zu Deutschland. Ein erzwungener Euro-Austritt wäre aber ein sehr unpassendes Symbol für europäisches Scheitern und würde den nationalistischen Extremparteien weiteren Auftrieb geben und ggf. die offenen Grenzen bedrohen. Daher meine Fragen:
1) Können Sie irgendwelche ganz konkreten Vorteile benennen, die ein Euro-Austritt Griechenlands für die einzelnen Bürger Griechenlands und / oder Deutschlands hätte (mir fällt keiner ein, aber vielleicht habe ich etwas übersehen)? Ich meine hier nicht solche Dinge wie ´die Wirtschaft kann sich erholen´ - das kann sie nämlich auch mit dem Euro!
2) Warum weicht die FDP von ihrer (meines Erachtens richtigen) Auffassung aus der letzten Legislatur im Bund ab? Läuft die FDP der ´AfD´ hinterher? Wenn ja, warum?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kanellos
Sehr geehrter Herr Kanellos,
die FDP steht voll hinter und weiter in der Kontinuität der Stabilitätspolitik seit 2010:
- Ziel der Wiederherstellung der finanzpolitischen Eigenverantwortung (keine Transfers in Europa!),
- Hilfen nur gegen Reformen und
- unter Einbeziehung des IWF.
Von diesem Kurs hat sich die Bundesregierung entfernt.
Seit dem vergangenen Jahr bezweifelt der IWF die Schuldentragfähigkeit Griechenlands und fordert einen Schuldenschnitt. Deshalb beteiligt sich der IWF nicht mehr an Programmen. Das war aber immer ein Anliegen der FDP.
Einen Schuldenschnitt kann es nach meiner Überzeugung nur außerhalb des Euro geben. Sonst gibt es Fehlanreize.
Das griechische Volk hat sich in einem Referendum ferner gegen die Stabilitätspolitik ausgesprochen. Die Fortsetzung der internen Abwertung (geringere Ausgaben, Löhne und Renten) war daher zweifelhaft. Das hat sich jetzt bestätigt. Eine externe Abwertung über eine neue Währung ist der für die Menschen leichtere und schnellere Weg, die Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen.
Aufgrund seit 2010 geschaffener Institutionen wie den ESM und erreichter Fortschritte anderswo besteht kein Ansteckungsgefahr wie noch 2010. Damals wäre dieser Weg nicht verantwortbar gewesen. Heute ist er nötig.
Seit dem vergangenen Jahr setzen wir deshalb auf einen Grexit mit Schuldenschnitt bei gleichzeitigem Verbleib in der EU. Ich habe seit Mai 2015 dazu zahlreiche Interviews gegeben, die Sie auf meiner Website finden.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner