Frage an Christian Lindner von Sönke S. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Lindner,
Ihre FDP ist aus guten Gründen gegen das Kulturgutschutzgesetz.
Bisher ist die öffentliche Debatte durch die Diskussion über enteignungsgleiche Eingriffe des Staates im Rahmen des "Abwanderungsschutzes" für hochwertige Kunstobjekte geprägt. Auf der anderen Seite geht es aber auch um Millionen Bürger, die privat Kultur- und Naturgüter sammeln, damit handeln oder diese (beruflich) wissenschaftlich bearbeiten. Viele sehen sich durch die geplanten Regelungen in der Ausübung Ihres Berufs (existentiell) oder Hobbys gefährdet.
Kann man in einem Staat, der grundgesetzlich die Freiheit von Wissenschaft und Forschung und gem. Art. 36 AEUV den freien Warenverkehr in der EU garantiert, wirklich einen § 30 im KSG-Entwurf vom 14.09.15 vertreten, der bei EINFUHR jeglicher Kultur- und Naturgüter wertunabhängig "Legalitätsnachweise" von den Bürgern fordert und bei Nicht-Erbringung von der Illegalität ausgeht und beschlagnahmt?
Wie soll man bei Grenzübertritt nach Deutschland die Legalität beweisen, wenn man z. B. ein geringwertiges Urlaubssouvenir (Muschel, Fossil, Vogelfeder) im Gepäck hat? Ist es angemessen, dafür (auch wenn das vor Ort geltende Recht dies nicht verlangt!) eine Ausfuhrgenehmigung beantragen zu müssen, um in Deutschland nicht enteignet werden zu können? Wird man uns im Ausland noch ernst nehmen, wenn wir die örtlichen Behörden (welche wären dafür eigentlich zuständig?) mit Ausfuhranträgen überschütten?
Mit dem Argument dem Terrorismus eine Geldquelle entziehen zu wollen (vgl. Gesetzesbegründung), wird durch das KSG das Sammeln von Natur- und Kulturgut aus dem Ausland extrem bürokratisiert, sowohl für Sammler als auch für Institute. Man könnte das Sammeln stattdessen im Prinzip auch gleich ganz verbieten.
Welche Möglichkeiten sieht die FDP, die auch im Rahmen der Petition "Für den Erhalt des privaten Sammelns" von zehntausenden Bürgern artikulierte Kritik, konkreter als bislang aufzugreifen und in der Öffentlichkeit vernehmbar zu unterstützen?
Mit freundlichen Grüßen
Sönke Simonsen
Sehr geehrter Herr Simonsen,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 26. Oktober.
Die FDP tritt für den Schutz von national wertvollem Kulturgut ein. Das gilt sowohl für inländisches Kulturgut als auch für ausländisches. Denn auch aus unserer Sicht ist es wichtig, etwa Raubgrabungen in anderen Teilen der Welt zu entgegnen.
Deshalb hat Deutschland auch entsprechende internationale Abkommen unterzeichnet und ratifiziert. Dass das Kulturgutschutzgesetz grundsätzlich an die heutige Zeit angepasst werden muss, ist dabei relativ unstrittig. Die Bundesregierung hat allerdings mit ihrem verfrüht publik gemachten und in der Tat in vielen Bereichen deutlich über das Ziel hinausgehenden Gesetzentwurf einen Großteil der Kunstszene, der Sammler und der Galeristen nachhaltig verunsichert.
Deshalb ist es notwendig, dass die Bundesregierung diese Verunsicherung zunächst abbaut und den von ihr selbst verursachten Schaden behebt. Dazu sollte sie mit allen betroffenen Verbänden und Interessengruppen zusammenkommen und gemeinsam mit diesen Vorschläge erarbeiten, wie der Schutz von bedeutsamem Kulturgut im In- und Ausland gestärkt werden kann, ohne dabei Sammlern, Galerien und Kunsthändlern zu schaden und diese in Deutschland womöglich schlechter zu stellen als in vergleichbaren Staaten. Eine Möglichkeit wäre dabei auch, die verschiedenen Aspekte des Gesetzentwurfs aufzuteilen und in Ruhe - Stück für Stück - zu beraten. In jedem Fall darf es keine weiteren Schnellschüsse geben.
Die FDP wird sich davon unabhängig für einen ausgewogenen und effektiven Kulturgutschutz einsetzen, der die vielen privaten Sammler und Händler - aber auch Museen und andere kulturelle Einrichtungen - nicht übervorteilt.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner