Frage an Christian Lindner von Timo S. bezüglich Bildung und Erziehung
Guten Tag Herr Lindner,
ich schreibe Ihnen, weil ich mich an Sie als kompetenten (Bildungs-)Politiker erinnere.
In meiner Zeit der Oberstufe habe ich eine Praxisnähe und einen sanften Übergang zur Studienzeit vermisst. Angesichts diesen Missstands und des Unterrichtsausfalls in Schulen, empfände ich es als eine interessante Möglichkeit, verstärkt auch Praktiker in der Oberstufe als Lehrkräfte/Dozenten einzusetzen.
Zum einen rücken die pädagogischen Fähigkeiten der Lehrkräfte in der Oberstufe in den Hintergrund, zum anderen hilft es den Schülern ungemein weiter, wenn sie von diversen Berufsfeldern erfahren (Beispiel: Ein Bankangestellter führt einen Kurs über die Grundlagen des Bankgeschäfts).
Um eine möglichst große Wahlfreiheit zuzulassen könnte man diese Kurse sogleich im Schulverbund durchführen und somit den Austausch zwischen den Oberstufen verschiedener Schulen fördern.
Was halten Sie grundsätzlich von der Idee, dass Oberstufenschüler stärker von der Berufswelt erfahren? Eine Exkursion in die kölner Schokoladenfabrik - wie zu meiner Zeit - empfinde ich nicht als ausreichend.
Freundliche Grüße,
Timo Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihr Schreiben und Ihre Frage zur Schulpolitik.
Ihre Einschätzung, dass Schülerinnen und Schüler frühzeitiger eine erweiterte Berufs- und Studienorientierung ermöglicht werden sollte, teile ich. Gegenwärtig stellen die von Ihnen genannten Aspekte insbesondere in der Sekundarstufe I eine bedeutende Ausgestaltungfrage der Schulpolitik dar. Auch wenn einige der von der rot-grünen Landesregierung gegenwärtig geplanten Maßnahmen in Nuancen als problematisch zu bewerten sind, teilt die FDP das Ziel der verstärkten Einbindung praxisnaher Elemente in den Schulunterricht. Selbstverständlich soll auch die Sekundarstufe II hier einen wichtigen Beitrag leisten. Ihre Aufgabe besteht unter anderem darin, individuelle Schwerpunktsetzungen zu ermöglichen und durch eine vertiefte Allgemeinbildung sowohl auf das Studium als auch auf die Arbeitswelt vorzubereiten.
Für Schulen bestehen Möglichkeiten, Personen anderer beruflicher Profession einzustellen. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um den sogenannten Seiteneinstieg, der mit einer berufsbegleitenden Ausbildung verbunden ist. Wenn entsprechende Qualifikationen vorliegen, können Schulen sich entscheiden, auf Lehrerstellen auch Personen ohne ein Lehramtsstudium einzustellen. Dieser Seiteneinstieg kann einen Beitrag leisten, den von Ihnen zu recht problematisierten Unterrichtsausfall abzusenken und gleichzeitig weitere Kenntnisse aus anderen Berufsfeldern in die Schulen einzubringen.
Für spezielle Bedarfe an Schulen können zum Beispiel auch Sportwissenschaftler, Gebärdendolmetscher oder Handwerksmeister eingestellt werden. In der Zeit der FDP-Regierungsbeteiligung sind darüber hinaus anteilig Flexibilisierungen der Ganztagsmittel vorgenommen worden, die den Schulen mehr eigenverantwortliche Entscheidung bei der Einbindung unterschiedlichster Berufskenntnisse ermöglichen sollen. Die FDP möchte die bestehenden Möglichkeiten der eigenverantwortlichen Schulen konsequent weiterentwickeln und ihnen noch weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Sie erhalten so mehr Freiheiten, ihre Profilbildung zu stärken, zu der zweifellos auch eine qualitativ hochwertige Berufs- und Studienorientierung zählt.
Schulen sollten auch die ihnen zur Verfügung stehenden Angebote und Programme, sei es im wirtschaftlich-betrieblichen, im politischen oder auch im kulturellen Bereich verstärkt nutzen. Hierzu können sowohl außerschulische Lernorte als auch die von Ihnen angesprochene Einbindung verschiedenster Vertreter aus den unterschiedlichsten Berufsfeldern zählen. Einzelne Kooperationen zwischen Oberstufen unterschiedlicher Schulformen können hierbei durchaus sinnvoll sein.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner MdL