Frage an Christian Lindner von Manfred B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Lindner,
ich beziehe mich auf die Sendung Maybritt Illner vom 23.August.
Hier haben Sie zum wiederholten mal versucht, uns Zuschauer in die Irre zu führen, indem Sie sagten, dass die Reichen den Großteil der Einkommensteuer bezahlten, und damit unseren Staat finanzieren.
Ich werfe Ihnen vor, dass Sie, und mit Ihnen auch unsere Regierungspolitiker, immer gezielt mit dieser Halbwahrheit operieren.
Denn wie Sie wahrscheinlich sehr genau wissen, entspricht der Anteil der Einkommenssteuer am Gesamtsteueraufkommen gerade noch 38%. Der überwiegende Anteil kommt von Verbrauchssteuern, und diese bezahlen HartzIV Empfänger genauso wie diejenigen mit skandalösen Niedriglöhnen.
Genaugenommen kann man sogar sagen, dass diejenigen mit den kleinsten Einkommen die höchsten Steuern zahlen, prozentual gesehen zum verfügbaren Einkommen.
Bitte erklären Sie mir, wieso Sie diese Tatsachen in der öffentlichen Diskussion immer verschweigen?
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Burger
Sehr geehrter Herr Burger,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Ihre Empörung über die Verbreitung von Halbwahrheiten kann ich sehr gut nachvollziehen. Gerade mit Blick auf Verteilungsfragen leide ich auch darunter. Allerdings gehe ich dabei von gänzlich anderen Voraussetzungen aus als Sie:
Sie zweifeln offenbar nicht meine Feststellung an, dass das oberste Zehntel bzw. Dezil der Einkommensteuerzahler über die Hälfte des Aufkommens erwirtschaften. Vielmehr vermuten Sie, dass ein wichtiger Aspekt - die Verbrauchssteuern - keine Erwähnung fand und dieser das Bild deutlich verändern würde.
In der Tat habe ich mich - nicht zuletzt wegen der Kürze der verfügbaren Zeit – auf die Einkommensteuer beschränkt. Jedoch verändert sich das von mir gezeichnete Bild auch durch die Einbeziehung der indirekten Steuern (MwSt, EnSt, KfZSt) nicht wesentlich: Hier tragen die ersten fünf Dezile der Fälle des Haushaltsbruttoeinkommens knapp 30% des Aufkommens. Die oberen fünf demnach nahezu 70%.
Die von Ihnen nicht angesprochenen Zahlungen in die Sozialversicherung erwähne ich der Vollständigkeitshalbe noch: Auch hier tragen die starken Schultern den Großteil der Zahllast (die obersten beiden Dezile der Einkommensteuerfälle tragen hier über 40% des Aufkommens).
Damit Sie mich richtig verstehen: Ich bin für eine Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Deshalb halte ich unser Steuersystem im Großen und Ganzen verteilungspolitisch auch für gerecht - einfacher kann es werden und mittlere Einkommen könnten ein Stück entlastet werden, insbesondere hinsichtlich der "kalten Progression". Für klassenkämpferische Parolen, wie von Frank Bsirske in der angesprochenen Sendung, sehe ich jedoch nicht nur keine Notwendigkeit: Ich halte sie für gefährlich.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner, MdL