Frage an Christian Lindner von Daniel S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lindner,
im Zusammenhang mit dem Embryonenschutz ist im Focus diese Woche zu lesen:
"Der FDP-Generalsekretär betonte, es handele sich um eine
Gewissensentscheidung. Daher müsse im Bundestag in Form eines
Gruppenantrags darüber ohne Koalitions- und Fraktionszwang beraten
werden." http://j.mp/dos2cN
Man gewinnt den Eindruck, eine Entscheidung müsse erst zur
Gewissensentscheidung erhoben werden, um nach Artikel 38 Grundgesetz
entschieden zu werden.
Steht ein Koalitions- und Fraktionszwang aber nicht im direkten
Widerspruch zu Artikel 38 Grundgesetz?
Es ist immer wieder zu beobachten, dass Geheimverträge abgeschlossen
werden, in die Abgeordnete keinen Einblick haben, aber dennoch über diese
abstimmen sollen.
Kann ein Politiker, gemäß Artikel 38 Grundgesetz, überhaupt nach seinem
Gewissen etwas entscheiden, zu dem er sich nicht informieren kann oder
darf?
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Schultz
Sehr geehrter Herr Schultz,
Abgeordnete des Bundestags sind - Sie haben darauf hingewiesen - in ihren Entscheidungen ausschließlich ihrem Gewissen unterworfen. Gleichwohl ist eine gewisse Fraktionsdisziplin (im Gegensatz zum Fraktionszwang) in der Parteiendemokratie unumgänglich. Das leitet sich schon allein aus der Arbeitsteiligkeit der Fraktionsarbeit sowie der Rolle von Parteien ab, politische Alternativen zu Konzepten entwickeln. Wenn hier immer alle Abgeordnete ganz frei entscheiden würden, wäre eine Profilbildung praktisch ausgeschlossen. Darin sehe ich jedoch keinen Verstoß gegen unser Grundgesetz, sondern vielmehr eine politische Praxis der parlamentarischen Demokratie, die sich seit vielen Jahrzehnten bewährt hat. Dass die Abgeordneten frei entscheiden, können Sie übrigens immer wieder beobachten – nehmen Sie etwa Abstimmung über das Euro-Rettungspakt, bei der es im Lage der Koalition zehn abweichende Stimmen gab.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner