Frage an Christian Lindner von Tabea S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lindner
mir ist bekannt, daß Sie Bundestagsabgeordneter sind, meine Frage ist eine landespolitische, aber hierfür steht auf Abgeordnetenwatch noch keine Funktion zur Verfügung. Könnten Sie meine Frage trotzdem beantworten oder an Landtagsabgeordnete Ihrer Partei weiterleiten?
Gerade las ich, daß das Land NRW das Frauen-Wohnprojekt "Bielefelder Beginenöfe" finanziell unterstützt. Es steht jedem frei, so zu leben und zu wohnen wie er möchte.Nach meinen Informationen ist Frau-Sein das einzige verbindliche Zugangskriterium, um in dieser Anlage zu wohnen. Es handelt sich also nicht etwa um behinderte oder speziell benachteiligte Menschen, sondern einfach nur um Frauen.
Was ich nicht verstehe, und hier beginnen meine Fragen:
1. Warum unterstützt das Land NRW dieses Wohnprojekt mit Steuergeldern?
2. Würde ein Wohnprojekt, bei dem nur Männer, nur Christen, nur Moslems, nur Schwule, nur Deutschstämmige, nur Migranten untereinander leben wollen ebenfalls durch Steuergelder subventioniert werden?
3. Wie vereinbaren Sie eine solche Förderpraxis mit Art.3 GG: "Niemand darf aufgrund seines Geschlechts...bevorzugt oder benachteiligt werden" ?
Wenn Sie von einer GENERELLEN Benachteiligung von Frauen ausgehen, dann würde das ja den Art. 3 GG völlig aushebeln, denn dann dürfte der Staat zur "Beseitigung bestehender Nachteile zwischen Männern und Frauen" (ebenfalls Art. 3 GG) Frauen immer und überall bevorzugen.
4. Können Sie mir Auskunft darüber geben, in welcher Höhe dieses Projekt, einmalig und jährlich, unterstützt wird?
Ich erbitte mir zu allen vier Fragen eine kurze Antwort!
Vielen Dank und Herzliche Grüße!
Tabea Schüle
Sehr geehrte Frau Schüle,
vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de vom 29. Oktober 2009.
Natürlich beantworte ich auch in Zukunft gerne Fragen zu landespolitischen Themen, zumal ich als Generalsekretär der FDP in NRW auch weiterhin eng in das politische Geschehen auf Landesebene eingebunden bin.
Das von Ihnen angesprochenen Frauen-Wohnprojekt „Bielefelder Beginenhöfe“ wird tatsächlich mit Landesmitteln bezuschusst, wenngleich es sich dabei nicht um eine speziell geschlechterspezifische Förderung handelt. Ziel des Projektes ist es vielmehr, bezahlbaren Wohnraum für Haushalte mit geringem Einkommen zu unterstützen, weswegen die Förderung im Rahmen des Wohnraumförderprogrammes erfolgt. Gegenwärtig werden hierfür insgesamt 950 Mio. Euro Landesmittel im Jahr aufgebracht. Wohlgemerkt, dieses Geld fließt in den gesamten Bereich der Wohnraumförderung und wird somit unter anderem auch für den Bau von behinderten- oder altersgerechten Wohnungen genutzt. Das Wohnprojekt „Bielefelder Beginenhöfe“ zeichnet sich dadurch aus, dass es sich um ein generationenübergreifendes Wohnprojekt handelt, dessen Angebot sich speziell an - oftmals alleinerziehende - Frauen mit niedrigem Einkommen richtet. Ein vergleichbar konzipiertes Wohnprojekt, das sich ausschließlich an Männer richten würde, käme daher nach meiner Auffassung gleichfalls für eine Landesförderung in Frage. So existiert unter anderem in Köln ein integratives Wohnprojekt - die Villa Anders -, dessen Angebot sich speziell an homosexuelle Menschen richtet.
Für Ihre Frage bedanke ich mich nochmals sehr herzlich und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner