Frage an Christian Lange von Sandra E. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Lieber Herrr Lange,
in der letzten Sendung von Frontal21 im ZDF vom 1. Februar erfährt man von einer kleinen Änderung im Baugesetzbuch.
Im Baugesetzbuch hieß es früher: Zitat: „Landwirtschaft…ist…Tierhaltung auf überwiegend eigener Futtergrundlage.“ Das heißt: früher musste ein Bauer seine Tiere vorwiegend mit selbsterzeugtem Futter ernähren.
Jetzt steht im Gesetz: Zitat: „Landwirtschaft…ist…Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den…landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann.“
Und so werden Massentierhalter, die nur Industriefutter verwenden, zu Bauern mit Bauprivilegien.
Der Trick: Tierfabriken zählen nicht mehr zur Industrie, sondern zur Landwirtschaft. Und Landwirte dürfen dort bauen, wo es der Industrie verwehrt ist. Die Folge: Immer mehr Tiere, immer mehr Ställe.
http://frontal21.zdf.de/ZDFde/inhalt/1/0,1872,1001633,00.html?dr=1
http://frontal21.zdf.de/ZDFde/download/0,6753,7019979,00.pdf
Damit fließen Gelder die für den Ökolandbau vorgesehen sind an Großbetriebe und damit gerade in den Bereich der von der Mehrheit der Bevölkerung nicht erwünscht wird.
Desweiteren geht ja mit der Massentierhaltung ein Trend einher, den ich persönlich abscheulich finde: 20 Hühner auf 1 Quadratmeter, unglaublich viel Gülle, erhöhte Nitratwerte im Grundwasser, billig billig billg, u.v.m.
Sicherlich betrifft uns das Problem im Rems-Murr-Kreis bei weitem nicht so sehr wie in Niedersachsen, aber ich würde gerne Ihre Meinung und Ihr Verhalten hinsichtlich Ökolandbau erfahren. Wie setzen sie sich für ein Nachhaltige LAndwirtschaft ohne Massentierhaltung ein.
viele Grüße,
S. Endrullis
Sehr geehrte Frau Endrullis,
vielen Dank für Ihre Mail, die ich am 3. Februar 2011 via www.abgeordnetenwatch.de erhalten habe. Ja, es gibt Mißstände in der Nutztierhaltung, aber unabhängig von der Größe der Betriebe und der Anzahl der Tiere. Entscheidend ist meiner Meinung nach aber vor allem das verantwortungsbewusste Handeln des einzelnen Betriebsleiters und auch der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Auch ich lehne Massentierhaltungen, wie Sie diese in Ihrer Mail beschreiben, persönlich ab. Als Verbraucher versuche ich, meine Lebensmittel, insbesondere aber die Fleischprodukte, gezielt von Händlern zu kaufen, denen ich vertraue, insbesondere direkt bei Biobauern oder Fleischereien, die transparent arbeiten.
Unsere Einstellung zu Lebensmitteln als Mittel zum Leben ist also von besonderer Bedeutung. Wissenszusammenhänge über die Produktionsbedingungen und Herstellungsprozesse tierischer Erzeugnisse sind in unserer Gesellschaft verloren gegangen.
Neben den gesetzlich notwendigen Vorgaben für eine artgerechte Tierhaltung ist deshalb eine Aufklärungskampagne notwendig. Dabei muss es um den Wert von Lebensmitteln ebenso gehen wie um eine gesunde Ernährung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft. Denn unser Konsumverhalten hat Rückwirkungen auf die Produktionsbedingungen. Verbote führen in einer weltweit vernetzten Wirtschaft nicht weiter.
Wir Sozialdemokraten setzen uns für eine nachhaltige Landwirtschaft ein und dies schließt die artgerechte Haltung von Nutztieren mit ein. So fordern wir ein Prüf- und Zertifizierungsverfahren für serienmäßig hergestellte Stallbausysteme („Tierschutz-TÜV“, siehe auch: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/021/1702143.pdf).
Denn bisher gibt es kein praktikables Prüfverfahren, um nachzuweisen, ob die auf dem Markt befindlichen Aufstallungssysteme und Stalleinrichtungen den Anforderungen für eine artgerechte Tierhaltung entsprechen. Mit Einführung eines obligatorischen praxisgerechten Prüfungs- und Zulassungsverfahrens für serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen werden die Haltungsbedingungen für landwirtschaftliche Nutztiere grundlegend und nachhaltig verbessert. Das Verfahren soll dazu dienen, dass zukünftig nur noch auf Tiergerechtheit geprüfte und zugelassene serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen in den Verkehr gebracht werden.
Ein solches Verfahren ist im Interesse der Tiere sowie aller Beteiligten. Die Tiere würden stärker als bisher an ihren Bedürfnissen und Verhaltensansprüchen orientiert gehalten. Die Tierhalter und die Hersteller hätten Investitions- und Rechtssicherheit. Eine Genehmigung könnte schneller erfolgen, Veterinärbehörden würden entlastet, da die Einzelfallprüfungen entfielen. Der Gesetzgeber könnte auf neuere Entwicklungen und Erkenntnisse flexibel reagieren und die Verbraucher hätten die Gewissheit, dass ihre Nahrungsmittel nach ihren Wünschen hergestellt werden.
Damit wären wir einen entscheidenden Schritt weiter gewesen.
Leider hat die schwarz-gelbe Koalition unseren Antrag abgelehnt.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen hiermit meinen Standpunkt deutlich machen.
Bei Rückfragen können Sie sich auch jederzeit direkt an mich wenden: christian.lange@bundestag.de.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Christian Lange