Frage an Christian Heinrici von Norbert F. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrter Herr Heinrici,
der heutige Ausgabe des Express Köln ist zu entnehmen, dass - nach Angaben des Bundesfinanzministeriums - Firmen die Kosten für VIP-Logen in stadien der Fussball-WM 2006 steuerlich absetzen können.
Als von einer möglichen Streichung der Eigenheimzulage (vielleicht auch der Pendlerpauschale - ich fahre täglich 100 km um meiner Erwerbstätigkeit nachgehen zu können) frage ich Sie, wie Sie zu dieser Abschreibemöglichkeit stehen.
Sehr geehrter Herr Fausten!
Vielen Dank für Ihre Anfrage.
Als aller erstes muss ich Ihnen sagen, dass ich kein Wirstchafts- oder Steuerexperte bin. Natürlich stimme ich Ihnen absolut zu, dass es eine Unverschämtheit ist, wenn Firmen - es handelt sich wohl in der Mehrzahl um solche, die ohnehin schon fleißig Gewinne abschreiben - ihre VIP-Logen-Plätze noch von den Steuern absetzen können. Das muss ja bei dem Großteil der Wähler, die ja leider nicht solche Abschreibemöglichkeiten haben - geschweige denn die dazugehörigen Tickets - auf Unverständnis stoßen!
Allerdings muss ich auch sagen, dass der Express hier ein eher populistisches Beispiel anbringt, wenn man dagegen die Milliarden schweren Steuerbetrügereien und legalen Schlupflöcher sieht, die Großkonzerne und Banken sonst nutzen - natürlich zum Schaden der Allgemeinheit. Hier nur wenige Beispiele:
- In dieser Legislaturperiode erließ die rot-grüne Bundesregierung ein Gesetz, das es multinationalen Konzernen ermöglicht, Verluste, die sie irgendwo weltweit eingefahren haben, von der Gewerbesteuer abzuschreiben. Tatsächlich sind nicht wenige Kommunen - wie z.B. Leverkusen, Dormagen, Wolfsburg etc. von solchen Steuern vollständig abhängig. Dieses Gesetz führte zahlreiche Kommunen in den Bankrott und dient einzig und allein der Bereicherung eben dieser multinationalen Konzerne.
- Die rechtskonservative Opposition allerdings tut sich mit noch größeren Steuergeschenken an die Konzerne hervor. So reden sie aller Orten über die Senkung der "Lohnnebenkosten", mit dem pauschalen Argument, das würde die Wirtschaft mal wieder in Schwung bringen und dann schon irgendwie Arbeitsplätze schaffen. Sie outen sich damit als der verlängerten Arm der Arbeitgeber Verbände, ohne überhaupt in Betracht zu ziehen, ob diese Firmen tatsächlich bereit sind, Arbeitsplätze zu schaffen oder stattdessen ihr frisch gewonnes Kapital lieber an den internationalen Börsen verspielen. Genauso trifft z.B. die vorgeschlagene Erhöhung der Mehrwertsteuer alle Konsumenten dieses Landes, führt aber ganz sicher nicht zu Arbeitsplätzen, wirtschaftlichem Aufschwung oder gar gerechter Umverteilung. In den letzten Jahren konnten wir mit ansehen, wie die Banken und Konzerne immer mehr Gewinne scheffelten (und dazu auch noch in der Öffentlichkeit jammerten), während die Löhne und der Lebensstandart auf dem Niveau der 80er Jahre stehen geblieben sind.
Die Humanistische Partei im Allgemeinen steht für eine stärkere Besteuerung von Großkonzernen und Banken, die grundlegend keine neue Arbeitsplätze schaffen, nicht in ihre Betriebe oder die entsprechenden Regionen investieren, sondern ihre Gewinne lieber verspekulieren. Im Gegensatz dazu stehen wir für steuerliche Förderung von kleinen und mittleren Betrieben (auch eine erleichterte Kreditvergabe), die Lehr- und Arbeitsplätze schaffen, ihre Mitarbeiter an grundlegenden Entscheidungen teilnehmen lassen und eben den Reichtum und die Innovation dieses Landes ausmachen.
Zu Ihrer sehr speziellen Frage, Herr Fausten, über die mögliche Streichung der "Pendlerpauschale" und der "Eigenheimzulage" müsste man sehr genau sehen, wohin denn diese Gelder fließen würden. Würden diese "eingesparten" Steuergelder im Falle der Pendlerpauschale in den Ausbau eines umfassenden und öffentlichen (Nah-)Verkerhrsnetzes fließen?! Würde das "eingesparte" Geld aus der Eigenheimzulage zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues genutzt werden?! Ich glaube, nein! Deshalb kann man auch guten Gewissens gegen die Streichung dieser Abschreibemöglichkeiten sein. Letztendlich sind dies auch wieder zwei Beispiele, die viele sog. Geringverdiener träfen, nicht aber jene, die uns und dem Gemeinwohl Jahr für Jahr Milliarden unterschlagen.
Herr Fausten, ich hoffe, ich konnte Ihre Anfrage zufriedenstellend beantworten - über weitere Details unseres Parteiprogramms informieren Sie sich doch bitte unter www.humanistischepartei.de. Ansonsten freue ich mich auch auf weitere Post von Ihnen!
Mit freundlichen Grüßen - Christian Heinrici