Frage an Christian Carstensen von Andreas K. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Carstensen,
Jungen sind die Bildungsverlierer, weisen häufiger Entwicklungsverzögerungen auf, sind häufiger chronische krank und haben häufiger grobmotorische und sprachliche Entwicklungsverzögerungen als Mädchen. Jungen mit Migrationshintergrund sind dabei nochmals deutlich auffälliger als Jungen ohne Migrationshintergrund.
Gleichwohl kümmert sich eine Armada aus Frauen-, Gender- und Gleichstellungsbeauftragten ausschließlich um das Vorankommen der Mädchen. Das Bundesprojekt "Neue Wege für Jungs" ist lediglich ein Annex des Girl´s Day und hat zudem offenbar das Ziel, Jungen aus zukunftsträchtigen Bereichen wegzulocken, um Platz für Mädchen zu schaffen.
Wie sieht Ihre Position und die Position der SPD hierzu aus?
Beste Grüße
Sehr geehrter Herr Kraußer,
vielen Dank für Ihre Frage zur Gleichbehandlung von Mädchen und Jungen. In der Öffentlichkeit wird in letzter Zeit vermehrt über mangelnde Chancen für Jungen diskutiert. Mir persönlich ist es wichtig, dass jedes Kind – vollkommen unabhängig vom Geschlecht – die bestmöglichen Entwicklungschancen hat. Dies hat die SPD auch in ihrem Regierungsprogramm verankert. Es ist nicht sinnvoll Mädchen gegen Jungen auszuspielen, denn unsere Gesellschaft braucht in allen Bereichen gut ausgebildete, motivierte und individuell geförderte junge Menschen. Ihre Kritik am Girls’ Day und dem Projekt „Neue Wege für Jungs“ kann ich nicht teilen: Sinn des Girls’ Days ist es, Mädchen für Berufe zu interessieren, in den Sie im Moment noch unterrepräsentiert sind. So beteilige auch ich mich jedes Jahr an der Aktion und biete jungen Mädchen die Möglichkeit Einblick in die Arbeit eines Politikers zu nehmen. Im Umkehrschluss heißt das aber nicht, dass Jungen deshalb systematisch aus diesem Bereich rausgedrängt werden sollen. Ebenso wie das Programm „Neue Wege für Jungs“ Betätigungsfelder für Jungen präsentiert, die sich jenseits der stereotypen Beschäftigungsfelder befinden. Es ist wichtig, Jungen auch für die Berufsfelder im Erziehungsbereich (Kita, Kindergarten, Grundschule) oder im Sozialen Bereich (z.B. Pflege) zu interessieren. Hier müssen die klassischen Erzieherberufe attraktiver gestaltet werden, was Einkommen und Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz betrifft – und zwar für beide Geschlechter. Das würde auch Jungen dazu animieren, in typischen „Frauenberufen“ Fuß zu fassen. Weder Mädchen noch Jungen sollten also aus „zukunftsträchtigen Bereichen“ weggelockt werden. Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung und das Projekt „Neue Wege für Jungs“ haben das Thema erst kürzlich auf einer Konferenz mit dem Titel „Junge, welche Rolle spielst Du? Männlichkeitsbilder im Wandel“ aufgegriffen. Sie haben Recht, es ist in der Tat äußerst problematisch, dass vor allem junge Männer mit Migrationshintergrund und niedrigem Bildungsabschluss zunehmend stigmatisiert werden. Hier braucht es neue Lösungen im Bildungssystem. Die dort anwesenden Wissenschaftler haben aber die These zurückgewiesen, dass Jungen per se die Verlierer des Bildungssystems und der Gesellschaft seien. Die Wissenschaftler kommen zu folgendem Ergebnis: „Trotz tendenziell schlechterer Noten sind Jungen und Männer in der Berufswelt immer noch erfolgreicher als Frauen. Sie bekommen die lukrativeren Jobs, verdienen deutlich mehr als ihre weiblichen Kolleginnen und machen schneller Karriere. Denn ausschlaggebend für den späteren Erfolg in der Gesellschaft sind weniger die Schulnoten: Faktoren wie das kulturelle Kapital und das Funktionieren in männerdominierten Strukturen sind zumindest in bestimmten Organisationen viel entscheidender. Das Geschlecht spielt auf dem Arbeitsmarkt also immer noch eine große Rolle.“
Unter folgendem Link können Sie einen Ergebnisbericht der Konferenz herunterladen: http://www.neue-wege-fuer-jungs.de/Startseite/Fachkongress_Friedrich-Ebert-Stiftung
Mit freundlichen Grüßen
Christian Carstensen