Frage an Christa Goetsch von Martin H. bezüglich Bildung und Erziehung
Die CDU-Regierung hat in den letzten Jahren trotz steigender Schülerzahlen die Anzahl der Lehrerstellen um etwa 1000 Stellen gekürzt. Weiterhin wurden die Klassen vergrößert und die Lehrpläne ausgedünnt, so dass Schule zu einem Billigmodell verkommen ist.
Was werden Sie unternehmen, damit die Bildungspolitik in Hamburg wieder zu einer Erfolgsgeschichte werden wird?
Sehr geehrter Herr Hageleit,
vielen Dank für Ihre Frage. Die GAL hat in den letzten Jahren mit viel Engagement versucht genau herauszufinden, wie viele Lehrerstellen aus dem Schulssytem gekürzt wurden. Auch wenn die exakte Zahl selbst von der Schulbehörde nie genannt werden konnte, so haben wir recherchiert, dass zwischen 2001 - 2006 ca.700 Stellen gestrichen wurden. Weitere 200 fehlen, da im gleichen Zeitraum die Zahl der SchülerInnen gestiegen ist. Fazit: Tatsächlich fehlen den Schulen ca. 900 Stellen. Öffentlich zugegeben hat die CDU bisher zumindest den Abbau von 680 Stellen. Interessant ist, wie die CDU heute versucht, diesen Kahlschlag dem früheren rot-grünen Senat in die Schuhe zu schieben. In einem Interview äußerte sich Sozialsenatorin Schnieber-Jastram im Hamburger Abendblatt (21.01.2008) wie folgt: "Wir haben eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, damit diese Quartiere wieder Tritt fassen können, zum Beispiel den Ausbau der Ganztagsschulen, Sprachunterricht, die Reduzierung der Klassenfrequenzen in den Grundschulen. Das sind Dinge, die erst in den vergangenen sechs Jahren geschaffen wurden und die nicht von heute auf morgen greifen können. Man muss klar sagen: Wir haben die Zustände in diesen Stadtteilen von Rot-Grün geerbt." Dazu einige Fakten: 1. Beispiel - Sprachförderung: Zwar gibt es ein neues Konzept zur Sprachförderung und viele Maßnahmen, die sind aber nicht ausfinanziert! Für die verschiedenen Sprachförderprogramme (z.B. PLUS, DaZ) wurden bis 2005 ca. 200 Lehrerstellen gekürzt. 2. Beispiel - Ganztagsschulen: Der überwiegende Teil der Ganztagsschulen lag bisher in so genannten sozialen Brennpunkten. Diesen Schulen wird seit der Umsetzung des CDU-Ganztagsschulkonzepts im Schuljahr 2005/06 schrittweise 60% der Mittel für den Ganztagsbetrieb entzogen. Das sind ca. 80 LehrerInnen weniger oder eine Budget-Einsparung von ca. 5,1 Mio Euro. 3. Beispiel - Klassenfrequenzen an Grundschulen: Zwischen 2001 - 2006 hat die CDU die durchschnittlichen Klassenfrequenzen in den 1. Klassen von 24 auf 27 Kinder angehoben. Klassen von über 29, 30 SchülerInnen sind in den Grundschulen heute Alltag. Damit hat die Schulbehörde 90 Stellen eingespart. Doch nicht genug: Im selben Zeitraum wurden 80 Stellen für Teilungsstunden in Grundschulklassen abgebaut. In einer Teilungsstunde sind statt einer, zwei LehrerInnen in der Klasse. Teilungsstunden sind besonders dort wichtig, wo schwierige SchülerInnen eine Aufteilung großer Klassen nötig machen, um individueller fördern zu können.
Sie fragen nun auch danach: Was will denn die GAL besser machen? Selbstverständlich darf Schulpolitik nicht unter der Regie des Finanzsenators stehen. Wir meinen: 1. Es hängt von der jeweiligen Reform ab, ob sie kostenneutral umgesetzt werden kann oder nicht. 2. Alle Ausgaben für Bildung und Schule müssen realistisch gegenfinanziert sein. 3. Gute Bildung hat ihren Preis! Daher wird der anstehende Umbau des Schulsystems in Hamburg nicht kostenneutral zu machen sein. Die GAL hat für ihre Verränderungspläne ein Paket geschnürt:
Zum einen wollen wir mit dem Konzept "9 macht klug" eine Neue Hamburger Schule nach skandinavischem Vorbild einführen. Alle Kinder - schnelle und langsamere, starke und schwächere - lernen gemeinsam bis zur 9. Klasse. Das Gymnasium oder eine Berufsausbildung schließen sich an. Bei "9 macht klug" wird niemand frühzeitig aussortiert, nur weil die Eltern arm sind. Die Neue Schule für alle ist leistungsstärker und gerechter - das zeigen Erfahrungen aus anderen Ländern. Sie ist eine Ganztagsschule mit einem klugen Rhythmus aus Lernen und Angeboten für Musik, Theater, Spiel und Bewegung. Den 45-Minutentakt gibt es nicht mehr. Statt Sitzenbleiben oder Nachhilfe erhalten die Kinder Aufbautraining. Für alle Schulen gibt es einheitliche Qualitätsstandards - sie wirtschaften aber autonom und sind im Stadtteil verankert. Der Umbau soll nach zwei Jahren Vorbereitung innerhalb von acht Jahren vollzogen werden. Zum andern wollen wir:
- Kostenloses Bildungsangebot für alle Kinder ab dem 5. Lebensjahr (Aufwendungen jährlich ca. 15 Mio. Euro).
- Keine Grundschulklasse über 25 Kinder und in Brennpunkten keine Klasse über 20 Kinder: Kleine Klassen sind keine Erfolgsgarantie für das Lernen - aber eine zentrale Erfolgsvoraussetzung. (Aufwendungen ca. 2 Mio. Euro)
- Der schrittweise Ausbau von Ganztagsschulen wird ausreichend finanziert. Damit in allen Stadtteilen, in denen es besondere soziale Problemlagen gibt, ausreichend Ganztagsgrundschulen angesiedelt sind, müssen zusätzlich 20 Grundschulen zu Ganztagsschulen ausgebaut werden (Aufwand jährlich auf ca. 8 Mio. Euro; für den Ausbau und die zusätzliche Ausstattung der Schulen fallen nochmals 5 Mio. Euro Investitionskosten an).
- Sitzenbleiben wird abgeschafft: Die gewonnenen finanziellen Mittel (ca. 22 Mio. Euro/ca. 380 Lehrerstellen) werden dafür eingesetzt, die konzeptionelle Gestaltung und Umsetzung der Bildungsgänge ohne Wiederholer/-innen zu unterstützen und den Schulen ohne Sitzenbleiber/-innen die dadurch freiwerdenden personellen Ressourcen für die individuelle Förderung zur Verfügung zu stellen.
Für die Umsetzung des Schulkonzepts "9 macht klug" werden weiter Investitionen in das Schulsystem nötig sein. Hierzu gehört sowohl das Ziel, auch in den weiterführenden Schulen ab der 5. Klasse keine Lerngruppen/Klasse über 25 SchülerInnen mehr einzurichten, als auch ein Weiterbildungs- und Entlastungsprogramm für die LehrerInnen - diese sind für uns schließlich die entscheidenden AkteurInnen im Umgestaltungsprozess.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage ausreichend beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Christa Geotsch