Frage an Christa Goetsch von Sabine L. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Goetsch,
bei mir ist der Eindruck entstanden, dass das Thema „Notenzeugnisse in Integrationsklassen“ im Moment etwas aus der Aktualität verschwunden ist.
Was zur Zeit noch läuft ist lediglich eine privat organisierte, parteilich unabhängige Volkspetition.
Auf der Veranstaltung am 11.10.2007 (Zukunft der Integration) im Rathaus, sagten sie zu, den Antrag auf Änderung des Gesetzes § 44 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 erneut in die Bürgerschaft einzubringen. Ich konnte es aber auf den Tagesordnungspunkten bisher nicht entdecken! Ist mir etwas entgangen?
Des Weiteren wollten sie durch Ihre Juristen prüfen lassen, ob das entsprechende Gesetz im Einklang mit GG bzw. AGG steht. Zu welchem Ergebnis sind Ihre Juristen gekommen?
Wie wird Ihre Partei zeitnah mit dem Thema weiter verfahren?
Für die Klassen unserer Kinder ist Eile geboten, denn die ersten Zeugnisse müssten Ende Januar erteilt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Lewerenz-Kollemann
Sehr geehrte Frau Lewerenz-Kollemann,
leider ist die Auseinandersetzung "Notenzeugnisse in Integrationsklassen" immer noch nicht beendet. Doch bevor ich auf die aktuelle Situation eingehe, möchte ich zunächst auf ihre konkreten Fragen antworten. Zur juristischen Prüfung: Wie in dem gemeinsamen Gespräch im Oktober im Rathaus vorgeschlagen, haben wir einen Juristen um eine Prüfung gebeten, ob das Vorgehen der CDU mit dem GG und dem AGG vereinbar ist. Kern einer ersten Auskunft: Man könnte insbesondere mit dem Behindertengleichstellungsgesetz argumentieren. Allerdings müsste man sich dabei auf eine schwierige Auseinandersetzung einstellen, die sicherlich ein Jahr, vermutlich deutlich länger dauern würde. Wir prüfen hier noch das weitere Vorgehen. Zu der weiteren Auseinandersetzung in der Bürgerschaft: Nachdem die CDU den gemeinsamen Antrag von SPD und GAL "Schülerinnen und Schüler mit Behinderung integrieren statt ausgrenzen" Drucksache 18/6974) mit ihrer absoluten Mehrheit am 27.09.2007 abgelehnt hat, haben wir - erneut zusammen mit der SPD - einen Antrag mit dem Titel "Keine Benotung in Integrationsklassen" (Drucksache 18/7323) eingebracht. Vor dem Hintergrund, dass 1. in den integrativ arbeitenden Schulklassen, die seit 2006 in § 44 des hamburgischen Schulgesetzes vorgesehene Vergabe von Noten statt Berichtzeugnissen bisher nicht umgesetzt wurden und 2. eine sofortige Umsetzung zu starken Beeinträchtigungen des pädagogischen Betriebs führen würde, forderten wir, im laufenden Schuljahr 2007/2008 die Vergabe von unterschiedlichen Zeugnissen für Kinder mit und ohne Behinderung in den Integrationsklassen ausgesetzt bleiben sollte. Zudem sollte der Senat aufgefordert werden, das Gespräch mit den betroffenen Eltern der Integrationsklassen zu suchen. Auch dieser Antrag wurde von der CDU ohne Zögern am 21.11.2007 abgelehnt. Allerdings hat die CDU in der selben Bürgerschaftssitzung völlig überraschend einen eigenen Zusatzantrag zu der Initiative von GAL und SPD gestellt und diesen dann auch mit ihrer Mehrheit beschlossen. Mit diesem Antrag (Schulversuch "Moderne Kompetenzmessung und -beschreibung", Drucksache 18/7405) soll mit Hilfe von Schulversuchen allen Hamburger Schulen die Möglichkeit eröffnet werden, in Zukunft auf Noten zu verzichten und stattdessen Kompetenzraster einzuführen.
Leider hat die CDU damit keine eindeutige Klärung für die Situation in den Integrationsklassen geschaffen. Wenn man betrachtet, welch ein Druck und welch eine Unruhe an diesen Schulen herrscht, dann ist diese bewußte Verlängerung der Unsicherheit genauso empörend wie ärgerlich! So wie es im Moment aussieht, können diese Schulen in Integrationklassen vermutlich in den 3. Klassen bei den Halbjahrzeugnissen auf Noten verzichten - in den 4. Klassen aber nicht. Was die Abschlusszeugnisse angeht, so ist die Perspektive völlig offen. Im Januar 2008 will die Schulbehörde den Schulen bei einem Workshop erläutern, wie die Rahmenbedingungen eines Schulversuches "ohne Noten" aussehen sollen. Dann wird sich zeigen, wie schnell auch die integrativen Grunschulen in diesen Versuch einsteigen können und welche Art von Leistungsbeurteilung- und rückmeldung gewählt werden können. Auch wenn die Petition für Lernentwicklungsberichte (Berichtszeugnisse) inzwischen gestoppt wurde, kann man den InitiatorInnen nur beipflichten, wenn sie einerseits die Schulen unterstützen wollen, möglichst schnell Versuchsschulen ohne Noten zu werden. Andereseits muss man ein sehr wachsames Auge darauf haben, wie ernst CDU und Schulbehörde es meinen, eine Lösung für die Integrationklassen zu finden. Auch ich werde die weitere Entwicklung selbstverständlich genau beobachten. Spätestens im Laufe des Januars 2008 wird sich zeigen, wie sich die Sache weiter entwickelt. Sollte sich abzeichnen, dass die Schulen gar nicht umhinkommen nun doch Noten geben zu müssen, werden wir dagegen selbstverständlich auch politisch erneut dagegen vorgehen.
Fest steht jetzt schon, dass die CDU erneut für chaotische Zustände gesorgt hat und dabei auch in Kauf nimmt, dass es an den Schulen unterschiedliches Recht gibt: 1. Es gibt aktuell eine unterschiedliche Behandlung zwischen Integrationsklasse 3 und Integrationsklasse 4; 2. Es gibt eine unterschiedliche Behandlung von SchülerInnen, die in gemischten I- und IR-Klassen sitzen und Kindern in Schulen, die I- und IR-Klassen nicht gemischt haben oder nur eine I-Klasse im Jahrgang haben. Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb dieses Gezerre und Hin- und Her bei den Noten ständig auf dem Rücken der Kinder, ihrer Eltern und LehrerInnen ausgetragen wird. Die CDU hat am 21.11. in der Bürgertschaft gezeigt, dass man ganz schnell eine kleine Passage im Schulgesetz ändern kann, wenn man dies möchte. In diesem Sinne wäre es nach wie vor ein Leichtes, dafür zu sorgen, dass in Integrationklassen im laufenden Schuljahr an der bewährten Praxis - der übrigens ebenfalls standardisierten - Berichtszeugnisse festgehalten werden könnte und alle Veränderungen, Schulversuche u.s.w. in aller Ruhe für das nächste Schuljahr vorbereitet würden. Wenn ich könnte, würde ich der CDU noch vor Weihnachten das dazu nötige kleine Fünkchen Menschenachtung - und verstand wünschen.
Viele Grüße
Christa Goetsch