Das Foto zeigt die Bundestagsabgeordnete der Grünen Chantal Kopf.
Chantal Kopf
Bündnis 90/Die Grünen
84 %
53 / 63 Fragen beantwortet
Frage von Manuel F. •

Frage an Chantal Kopf von Manuel F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Kopf,

zunächst größten Dank, dass Sie sie sich bei dieser Aktion so vielen Fragen stellen.
Da ich erstmals bei einer Bundestagswahl noch unentschlossen bin, wen ich wählen werde, möchte ich gerne den meisten Kandidaten 6 einfache Fragen stellen. Auf verschiedenen Ebenen sehe ich unsere gesellschaftliche Entwicklung nämlich momentan gefährdet. Ich fürchte, dass meine Wahlentscheidung durch ein strategisches Vorgehen zur Vermeidung des schlimmsten Übels abgenommen wird und folglich im Erhalt der etablierten Strukturen endet.

1) Wie stehen Sie zu Verteuerung von fossilen Brennstoffen als Anreiz eines beschleunigten Umstiegst auf alternative Energieträger; insbesondere vor dem Hintergrund der begrenzten Zugänglichkeit zu diesen neuen Technologien für wirtschaftlich schwächer aufgestellte Bürger und Unternehmen?

2) Wie stehen sie zur Teilung bei der Krankenversicherung in öffentlich und privat und bei der Altersvorsorge in noch diversere Konstrukte? Was möchten Sie hier tun?

3) Wieviel sollte 1 kg Schweinehack kosten? Was sagen Sie zur derzeitigen Praxis der Fleischproduktion in Deutschland?

4) Was halten Sie vom Rundfunkbeitrag? Finden Sie dessen Höhe angemessen?

5) Wie glauben Sie, die zunehmende Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus zu lösen.

6) Sind wir in unseren internationalen Beziehungen richtig positioniert? Wo sollten wir stärker Position beziehen, wem sollten wir uns stärker annähern?

Vielen Dank für Ihre Antworten und beste Grüße,
Manuel Fischer

Das Foto zeigt die Bundestagsabgeordnete der Grünen Chantal Kopf.
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Fischer,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage und schön, dass Sie sich vor dieser
wichtigen Wahl so umfassend informieren. Gerne beantworte ich Ihne
Fragen:

1) Wie stehen Sie zu Verteuerung von fossilen Brennstoffen als Anreiz
eines beschleunigten Umstiegst auf alternative Energieträger;
insbesondere vor dem Hintergrund der begrenzten Zugänglichkeit zu diesen
neuen Technologien für wirtschaftlich schwächer aufgestellte Bürger und
Unternehmen?

Das, was der Umwelt und damit den Menschen schadet, braucht einen Preis,
klimafreundliches Verhalten muss sich lohnen. Doch begleitend dazu
braucht es auch einen sozialen Ausgleich, sonst funktioniert es nicht.
Die Einnahmen aus dem CO2-Preis geben wir GRÜNE vollständig sozial
gerecht zurück und werden sie als Energiegeld an die Menschen auszahlen.
Wer das Klima überdurchschnittlich belastet, soll dafür zahlen. Wer das
Klima schont, soll am Ende mehr im Portemonnaie haben. Deshalb werbe ich
für einen früheren CO2-Preis in Höhe von 60 Euro, um die Klimakrise in
den Griff zu bekommen, aber bei gleichzeitiger sozialer Entlastung von
Kleinverdiener*innen, Familien, Pendler*innen und denen, die unbedingt
auf das Auto angewiesen sind. Dazu gehört auch, dass wir das Angebot an
öffentlichem Nahverkehr und Mobilitätsangeboten insbesondere in
ländlichen Raum deutlich verbessern wollen.
Der CO2-Preis auf Wärme wurde am 1. Januar 2021 von der Bundesregierung
aus SPD und CDU/CSU eingeführt. Mieter*innen zahlen den CO2-Preis
vollständig, plus die von ihnen verbrauchte Heizenergie. SPD und CDU/CSU
waren unfähig, sich auf eine sozial faire und energetisch sinnvolle
Ausgestaltung des CO2-Preis zu einigen. Damit lassen sie Millionen
Mieter*innen im Regen stehen und erweisen dem Klimaschutz einen
Bärendienst. Im Gegensatz zu selbstgenutzten Eigentümer*innen können
Mieter*innen nicht darüber entscheiden, mit welchem Energieträger oder
welcher Heizung sie heizen. Uns GRÜNEN ist es sehr wichtig, dass die
CO2-Bepreisung verursachergerecht umgelegt wird, damit sie eine
Lenkungswirkung entfalten kann. Aus unserer Sicht ist es konsequent,
dass der Personenkreis die möglichen zusätzlichen Kosten trägt, der die
Entscheidungsbefugnis über die Heizanlage und die verwendeten
Energieträger hat. Dementsprechend setzen wir uns dafür ein, dass
Vermieter*innen diese zahlen.
Auch dass viele Menschen ihre Stromkosten nicht mehr bezahlen können,
ist inakzeptabel. Viele denken leider, dass die steigenden Strompreise
mit grüner Politik zusammenhängen. Das stimmt nicht. Gut zwei Drittel
der Strompreiserhöhung der letzten Jahre haben nichts mit den
Erneuerbaren Energien zu tun. Tatsächlich hat der Preisanstieg beim
Strom viel mit der von uns seit Jahren kritisierten unfairen Verteilung
der Energiewendekosten zu tun. Die Industrie erhält bei Steuern und
Abgaben auf Energie Subventionen in Milliardenhöhe. Eine Vielzahl von
Unternehmen kommt dabei in den Genuss von teils erheblichen Rabatten bei
der Umlage oder ist sogar von ihr befreit, während die übrigen
Verbraucher*innen - Privathaushalte und kleine und mittelständische
Unternehmen - diese Privilegien in Milliardenhöhe mitfinanzieren.
Wenn es nach uns ginge, könnten endlich alle vom inzwischen billigen
Ökostrom profitieren, etwa über Mieterstrommodelle oder Eigenstrom aus
Solaranlagen. Ökostrom ist nämlich keineswegs unwirtschaftlich erzeugt
und ist längst günstiger als Strom aus Kohle- und Atomkraftwerken. Und
deren hohe Folgekosten für Gesundheitsschäden, Klimawandel und
Atommüllentsorgung tauchen sowieso auf keiner Stromrechnung auf.
Vielleicht nur einmal für Ihren Hintergrund: Die Energiekonzerne haben
über Jahre hinweg mit jedem abgeschriebenen Atomkraftwerken eine Million
Euro am Tag verdient.
Die ausufernden Industrieausnahmen von der EEG-Umlage wollen wir GRÜNE
massiv abschmelzen und so eine Senkung eine Senkung des Strompreises für
die einfachen Verbraucher*innen erreichen. Die gesamten verbliebenen
Industrieprivilegien könnten über den Bundeshaushalt statt über die
Stromrechnung finanziert und Ökostrom von der Stromsteuer befreit
werden. So würde Strom für Normalkund*innen preiswerter.

2) Wie stehen sie zur Teilung bei der Krankenversicherung in öffentlich
und privat und bei der Altersvorsorge in noch diversere Konstrukte? Was
möchten Sie hier tun?

Wir GRÜNE wollen die Sozialversicherungen (Kranken-, Pflege- und
Rentenversicherung) zu Bürger*innenversicherungen umbauen. Es ist ein
grundlegendes Problem, dass unsere Sozialversicherungen lediglich
Zwangsversicherungen für Arbeiter*innen und Angestellte sind.
Gutverdienende können die gesetzlichen Sozialversicherungen verlassen,
um nach persönlich vorteilhafteren Lösungen der Krankenversicherung oder
der Alterssicherung zu suchen. Mitglieder der privaten
Krankenversicherung versichern dabei nur ihr eigenes, meist
unterdurchschnittliches Krankheitsrisiko. Das widerspricht dem
Solidaritätsgedanken, der diesen Versicherungen zugrunde liegt und ist
zutiefst ungerecht. In die Bürger*innenversicherung sollen alle
Bürger*innen einzahlen, auch Beamt*innen, Freiberufler*innen,
Selbstständige und Politiker*innen. Und es sollen alle Einkommensarten
Mieten, Zinseinkünfte usw. in die Beitragsberechnung einbezogen werden.
Das stabilisiert unsere Renten- und Krankenversicherung gleichermaßen.

3) Wieviel sollte 1 kg Schweinehack kosten? Was sagen Sie zur
derzeitigen Praxis der Fleischproduktion in Deutschland?

Fleisch wird häufig unter elenden Bedingungen erzeugt und zu
Dumpingpreisen verkauft. Die gewaltigen ökologischen Folgekosten zahlt
nicht der Produzent, sondern wir alle und noch mehr unsere Kinder. Wir
GRÜNE setzen uns für hohe Lebensmittelstandards, Transparenz und für
umfassenden Verbraucherschutz ein. Es gibt aber natürlich auch andere
Interessen in der Gesellschaft: Da geht es den einen um Profit und den
anderen um Geiz-ist-geil-Dumpingpreise.
Wir wollen gar nicht den Fleischverzehr verteufeln, wie immer geht es
hier um ein vernünftiges Maß. Während die Tierfabriken immer größer
werden, müssen immer mehr bäuerliche Betriebe aufgeben, weil sie im
Preiskampf mit den Discountern nicht bestehen können. Wenn die Erzeugung
von Lebensmitteln den Bauern mehr kostet als der Endverkaufspreis
beträgt, ist ganz offensichtlich etwas falsch und wir müssen uns
entscheiden, ob wir das mit allen Konsequenzen wollen.

4) Was halten Sie vom Rundfunkbeitrag? Finden Sie dessen Höhe
angemessen?

Ich bekenne mich klar zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dessen
Finanzierung über den Rundfunkbeitrag und halte dessen Höhe für
angemessen. Beim Rundfunkbeitrag handelt es sich um ein Solidarmodell,
zu dem alle finanziell beitragen. Der Rundfunkbeitrag gewährleistet,
dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine gesellschaftliche Aufgabe
unabhängig und staatsfern erfüllen kann.
Um Unabhängigkeit von der Politik zu gewährleisten, handelt es sich um
einen direkten Beitrag und nicht um eine Steuer. Politik soll keine
Möglichkeit haben, nach Gefallen den Geldhahn auf- oder zuzudrehen. So
wird Demokratie und Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
gesichert.
Menschen, die bestimmte Sozialleistungen erhalten, wie zum Beispiel
Arbeitslosengeld II, können sich von der Rundfunkbeitragspflicht
befreien lassen. Auch bei weiteren Härten wie die Corona-Pandemie kann
eine Beitragsbefreiung in Anspruch genommen werden.

5) Wie glauben Sie, die zunehmende Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und
Antisemitismus zu lösen.

Demokratie- und menschenfeindliche Ideologien haben in unserem Land
nichts zu suchen. Wenn wir unsere Gesellschaft langfristig auf der Basis
demokratischer Werte gestalten wollen, braucht es dazu eine bundesweite
Demokratieoffensive. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich
geschlossen gegen Diskriminierung, Rassismus, Islamfeindlichkeit und
Ausgrenzung zu positionieren. Es muss endlich Schluss sein mit
flüchtlingsfeindlicher Asylgesetzgebung, ignoranten Forderungen nach
Obergrenzen und rechtspopulistischer Anbiederung an "besorgte
Bürger*innen".
Wir brauchen ein solidarisches Miteinander, in dem auch die Schwächsten,
z.B. Geflüchtete, unterstützt werden. Unverzichtbar sind dabei
zivilgesellschaftliche Strukturen und Projekte, die sich vor Ort gegen
Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Islamfeindlichkeit und andere
Ideologien der Ungleichwertigkeit stellen, beraten und Opfern helfen.
Dafür müssen sie durch staatliche Programme nachhaltig gesichert und
finanziell ausreichend gefördert werden.
Mir liegt sehr am Herzen, dass jüdisches Leben bei uns sichtbar und Teil
unseres gemeinsamen Miteinanders ist. Wir brauchen einen bundesweit
einheitlichen Schutz für jüdische Einrichtungen. Im Strafgesetzbuch gibt
es klare Paragrafen mit Blick auf Volksverhetzung und das Verbrennen von
Flaggen ausländischer Staaten haben. Diese Paragrafen des Strafrechts
müssen voll und schnell angewandt werden, wenn es volksverhetzende
Vorfälle gibt.

6) Sind wir in unseren internationalen Beziehungen richtig positioniert?
Wo sollten wir stärker Position beziehen, wem sollten wir uns stärker
annähern?

Es ist eines meiner wichtigsten Anliegen, dass wir Europa stärken. Neben
der konkreten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit hier vor Ort, muss
Deutschland sich in den EU-Gremien für eine gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik einsetzen, die auf Grundwerten wie der Förderung von
Demokratie und Menschenrechten basiert. Deswegen braucht es eine
gemeinsame europäische Haltung gegenüber autoritär regierten Staaten wie
China und Russland, mit denen wir bei vielen Themen einen konstruktiven
Dialog benötigen – Aber: Deutsche Wirtschaftsinteressen dürfen nicht
dazu führen, dass wir wegschauen, wenn Bürger- und Menschenrechte mit
Füßen getreten werden und die Umwelt zerstört wird. Das gleiche gilt mit
Blick auf Bolsonaro in Brasilien, weshalb das Mercosur-Abkommens
verhindert werden muss.

Die neue Biden-Administration bietet die Chance für eine neue
Partnerschaft zwischen der EU und den USA, die etwa in den Bereichen
internationale Handelsregeln und Klimaschutz gemeinsam vorangehen kann.

Eine meiner Lieblingspassagen aus unserem Wahlprogramm: „Wir arbeiten
für eine europäische Wertegemeinschaft, die ihre Abhängigkeit von
Dritten in kritischen Bereichen ab- und ihre Souveränität und
strategische Handlungsfähigkeit ausbaut – in einem Gleichgewicht von
Kooperation, wo möglich, und Eigenständigkeit, wo nötig. So eine EU ist
in der Lage, kritische Infrastruktur und globale Gemeingüter
bereitzustellen und zu schützen, global für das Völkerrecht und die
universalen Menschenrechte einzustehen. Ein wichtiges Fundament dafür
ist es, Spaltung und antidemokratischen Bestrebungen innerhalb Europas
entgegenzutreten. Mit dem größten Binnenmarkt der Welt hat die EU
wirtschaftlich erheblichen Einfluss. Diesen Hebel wollen wir nutzen, um
die globale Transformation gerecht zu gestalten und ambitionierte
Standards zu setzen.“

Ich hoffe, ich konnte Ihnen bei der Entscheidungsfindung helfen. Ich
würde mich sehr über Ihre beiden Stimmen bei der Bundestagswahl freuen,
um unserem Wahlkreis eine starke Stimme in Berlin zu geben, und stehe
jederzeit gerne für weitere Fragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Chantal Kopf

 

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