Frage an Carsten Schneider von Anika R. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Herr Schneider,
die Probleme im deutschen Bildungssystem sind hinlänglich bekannt: Die Zahl der Akademiker steigt zu langsam, es fehlen Ingenieure, für Bildung steht zu wenig Geld bereit und die Durchlässigkeit des Systems ist gering. Kurzum: Das Bildungssystem in Deutschland begünstigt wenige und benachteiligt viele.
Meine Fragen an Sie lauten daher:
1) Was möchten Sie in Deutschland – speziell bei der Akademiker-Ausbildung – ändern, damit die Zeichen auf Innovation statt auf Stillstand stehen? (Bitte lassen Sie Ihre parteipolitische Brille im Etui!)
2) Wann und in welcher Form hatten Sie in der Vergangenheit bereits Gelegenheit, diese Ziele voran zu bringen?
Für die Beantwortung meiner Fragen möchte ich mich vorab bedanken und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Anika Rekers
Sehr geehrter Frau Rekers,
Ihre Beschreibung der Mängel des deutschen Bildungssystems trifft ins Schwarze. Sie haben Recht: Wir haben auf dem Gebiet der Bildung einen enormen Nachholbedarf. Die größte Ungerechtigkeit besteht für mich darin, dass wir die Potenziale vieler junger Menschen nicht nutzen. Jährlich verlassen knapp 80.000 Jugendliche die Schule, ohne zumindest einen Hauptschulabschluss zu besitzen. Und in keiner anderen Industrienation hängt der Bildungserfolg so stark von der sozialen Herkunft ab wie bei uns.
Auf die Ausbildung der Akademiker haben wir als Abgeordnete des Deutschen Bundestages nur wenig direkten Einfluss, liegt doch die Kompetenz für Bildung seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 fast ausschließlich bei den Ländern. So wurde etwa die " Rahmengesetzgebungskompetenz" des Bundes abgeschafft, mit Ausnahme der Rahmenkompetenz für die "Hochschulzulassung" und die "Hochschulabschlüsse". Auch die Verantwortung für den Hochschulbau liegt heute bei den Ländern. Aufgrund des weitgehenden "Kooperationsverbot" zwischen Bund und Ländern war selbst der zwischen Bund und Ländern vereinbarte Hochschulpakt 2020 zur Schaffung zusätzlicher Studienplätze rechtlich nicht unumstritten.
Ein Hauptproblem unseres Bildungsföderalismus besteht darin, dass die Länder Mittel in sehr unterschiedlichen Größenordnungen für Bildung bereitstellen können. Aufgrund der enormen Differenz zwischen ärmeren und wohlhabenden Ländern lautet eine meiner politischen Forderungen, das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern wieder zu lockern, um dem Bund mehr Möglichkeiten zu geben, sich im Bildungsbereich finanziell zu engagieren.
Eine wichtige Einflussmöglichkeit des Bundes auf die Akademiker-Ausbildung ist das Bafög. Denn eine zentrale Voraussetzung für die Steigerung der Studierendenzahl ist die Verbesserung der finanziellen Situation der Studierenden. Deshalb hat die Große Koalition die finanziellen und strukturellen Rahmenbedingungen der Ausbildungsförderung deutlich verbessert: Zum Wintersemester 2008/2009 haben wir die Bedarfssätze für Schüler und Studierende beim Bafög um 10 Prozent erhöht und die Freibeträge um 8 Prozent angehoben. Durch die Anhebung der Freibeträge wurden die Reichweite der Förderung und damit der Kreis der Geförderten deutlich erweitert. Im Monatsdurchschnitt ist mit rund 100.000 zusätzlichen Geförderten zu rechnen, das entspricht einer Steigerung um über 18 Prozent.
Auch sind die für die Begabtenförderung durch die Begabtenförderungswerke bereitgestellten Mittel in dieser Legislaturperiode von 80,5 Millionen Euro auf 132 Millionen Euro angestiegen. Damit kann jetzt 1 Prozent aller Studierenden mit einem Stipendium der Begabtenförderungswerke unterstützt werden.
Schließlich wurde in dieser Legislaturperiode im Rahmen der Qualifizierungsinitiative die Einführung eines Aufstiegsstipendiums beschlossen, das speziell besonders Begabten aus der beruflichen Bildung ein Hochschulstudium erleichtern soll. Hierzu zählen vor allem Absolventen der beruflichen Bildung, die nach Länderrecht eine Hochschulzugangsberechtigung erworben haben (etwa durch mehrjährige Berufserfahrung, durch Anerkennung einer besonderen fachlichen Begabung beziehungsweise durch eine berufliche Fortbildung). Diese Aufstiegsstipendien sollen die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung erhöhen und mehr Fachkräfte qualifizieren.
Mehr Fördermöglichkeiten als auf dem Gebiet der Bildung besitzt der Bund im Bereich der Forschung, die mit der Lehre ja untrennbar verwoben ist. Als haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion setze ich mich seit Jahren für mehr Forschungsinitiativen ein - besonders auch in Ostdeutschland, denn gerade auf diesem Gebiet gibt es dort noch immer einen strukturellen Nachteil gegenüber den alten Ländern. So hatte ich beispielsweise im Jahr 2007 mit dem Förderprogramm "Spitzenforschung und Innovation in den neuen Bundesländern" einen zentralen Baustein zum Ausbau der Forschungsstruktur initiiert. Im Jahr 2008 wurden daraus in einer Pilotphase bereits sechs Projekte mit jeweils rund 7,5 Millionen Euro gefördert. Insgesamt stehen für das Programm mehr als 200 Millionen Euro bis 2013 zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Carsten Schneider