Carsten Labudda
DIE LINKE
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Frage von Helga B. •

Frage an Carsten Labudda von Helga B. bezüglich Deutsche Einheit / Innerdeutsche Beziehungen (bis 1990)

Sehr geehrter Herr Labudda,

ich verstehe nicht, warum Ihre Partei und andere Ostdeutsche so ein Geschrei anfangen, wenn einige Leute mal laut darüber nachdenken, ob die traurigen Ereignisse in Brieskow-Finkenherd vielleicht auch mit der DDR-Vergangenheit zu tun haben. Es gibt doch auch nicht solch einen Aufstand, wenn bei anderen schrecklichen Verbrechen die Ursache im (BRD-)Kapitalismus gesucht wird. Was also ist so schlimm an den Äußerungen von Herrn Schönbohm, dass jemand diese sogar als genauso schrecklich bezeichnet wie das Verbrechen selbst (was ich für hochgradig daneben halte)?

Mit freundlichen Grüßen

Helga Buschmann

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Buschmann,

Der Aufschrei bezüglich Herrn Schönbohm hat mehrere Ursachen. Ich will dabei aber mal von hinten anfangen, und fragen, warum es bei Leuten, die in allem nur die Schuld beim Kapitalismus sehen, keine Aufstände erfolgen. Nun, weil die Menschen, die solch reduzierende Aussagen machen, für gewöhnlich nicht in verantwortlichen Positionen stehen. Herr Schönbohm aber trägt sehr viel Verantwortung, ist er doch Innenminister eines Bundeslandes. Also finden seine Worte auch medialen Widerhall und können zum Politikum werden, was bei den meisten anderen Menschen in diesem Land nicht der Fall ist.
Weiterhin gibt es bereits viele Analysen über die neuen Länder. In vielen dieser Anlysen vor allem über unerfreuliche Nach-Wende-Entwicklungen findet auch die DDR-Geschichte und -Politik als Teil der Ursachen ihren Platz. So ist der Mangel an einem offenen Diskurs über die Nazi-Vergangenheit in der DDR eine der vielen Ursachen, die nach der Wende das Erstarken neonazistischen Gedankenguts ermöglicht haben. Aber - und das ist das entscheidende all dieser Analysen: Sie unterstellen nicht eine ganze Bevölkerungsgruppe einem Generalverdacht. Und darin liegt der besondere Fauxpas des Herrn Schönbohm. Mit seiner reduzierenden Aussage erklärte Herr Schönbohm alle Ostdeutschen zu prinziellen Gewaltverbrechern, weil die "Proletarisierung" ja seinen Worten nach "Verrohung und Gewaltbereitschaft" mit sich bringe. Dass er damit obendrein die von ihm persönlich mitregierten Menschen trifft, macht die Sache noch pikanter. Ich kann Herrn Schönbohm keine Ratschläge erteilen, aber ich denke, mit etwas mehr Takt seinen Mitbürgern gegenüber und im Zusammenhang einer fundierten Analyse hätte er die negativen Seiten der DDR sachdienlicher und damit auch konstruktiver kritisieren können als mit solcherlei platten Sätzen mitten im Wahlkampf.

Liebe Grüße,
Ihr Carsten Labudda