Frage an Carl-Julius Cronenberg von Hubert Z. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Cronenberg,
die DSO "..sorgt dafür, dass alle notwendigen medizinischen und organisatorischen Schritte vollzogen werden, damit Organe entnommen,.. werden können." https://www.dso.de/ .
Wie kann es bei der Bedeutungsschwere dieser Aufgabe sein, daß eine gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts (DSO) tätig ist und nicht der Staat selbst?
Die DSO hat in einem Instanzenprozess (LG, OLG, BGH) eine Tageszeitung und eine Journalistin auf Unterlassung der Veröffentlichung eines Artikels über eine Organentnahme verklagt https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=BGH&Datum=12.04.2016&Aktenzeichen=VI%20ZR%20505%2F14 .
Auszug aus den beanstandeten Textpassagen:
"(...) Die Herausnahme der Organe (...) sollte beginnen. Der junge Kollege, der die hierfür nötigen Formalitäten überprüfen musste, war damals noch nicht lange Mitarbeiter der Deutschen Stiftung Organtransplantation (...). Aber das kleine Einmaleins der Hirntoddiagnostik (...) kannte er. Er wurde stutzig. Es fehlte nicht bloß irgendeine Unterschrift. Es fehlte das komplette zweite ärztliche Protokoll, jenes Dokument also, das hätte bestätigen müssen, dass bei dem Mann (...) der zweifelsfreie, vollständige und unwiederbringliche Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen nicht bloß ein einziges Mal diagnostiziert worden war. Sondern dass der Hirntod nach einem gewissen zeitlichen Abstand erneut und von einem zweiten Mediziner nachgewiesen worden war, ...Wie weit [K.s] Macht reicht, macht der weitere Verlauf des Düsseldorfer Hirntod-Dramas deutlich: Eine Mitarbeiterin aus dem nordrheinwestfälischen DSO-Team, die sich für eine Klärung des Falls starkgemacht hatte, bekam die fristlose Kündigung zugestellt - per Bote um Mitternacht..."
Der Mann wurde explantiert.
Der BGH hat die Klage abgewiesen. https://openjur.de/u/889287.html
Besteht eine zwingende Notwendigkeit, dass System "Organspende" gänzlich neu aufzusetzen und ein Moratorium bei der Organentnahme bis zu dessen Neustart zu erlassen?
Sehr geehrter Herr Z.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Im Rahmen des am 14. Februar 2019 beschlossenen Zweiten Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes – Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen bei der Organspende (GZSO) sind tiefgreifende strukturelle Verbesserungen durch den Deutschen Bundestag auf den Weg gebracht worden, die seitens der an den Transplantationsprozessen Beteiligten sehr positiv aufgenommen worden sind und auch von uns Freien Demokraten über längere Zeit gefordert wurden.
Das Gesetz wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der AfD verabschiedet. Bezüglich der Notwendigkeit elementarer struktureller Verbesserungen bestand also im Deutschen Bundestag nahezu Einigkeit.
Das GZSO war die Folge von an uns im Rahmen einer Delegationsreise herangetragenen Erfahrungen aus Spanien und Dänemark, also Ländern, die als Musterbeispiel für eine gelungene Organspendepraxis gelten. Dort misst man den Identifikations- und Entnahmestrukturen in den Kliniken die zentrale Bedeutung bei. In genannten Ländern gilt theoretisch eine Widerspruchslösung, allerdings ist wichtig festzuhalten, dass de facto eine Zustimmungslösung praktiziert wird. Die Frage, ob Widerspruchslösung oder nicht ist also dort nicht entscheidend für die hohe Spenderanzahl, sondern die effektive Identifikation der erklärten Spender in den Kliniken und die tatsächliche Durchführung der Entnahme.
Aus unserer Sicht sollte man den mit dem GZSO verbundenen Neuerungen daher Zeit geben, ihre Wirkung in der Praxis zu entfalten.
Wir sind nicht der Ansicht, dass ein vollständiges Neuaufsetzen der Organspende und damit verbundenes Pausieren sinnvoll wäre. Wichtig ist aus unserer Sicht vor allem, dass die 84% der Deutschen, die angeben, der Organspende gegenüber positiv eingestellt zu sein, diese Entscheidung auch dokumentieren.
Mit freundlichen Grüßen
Carl-Julius Cronenberg