Frage an Carl-Christian Dressel von Frank L. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Dr. Dressel,
diese Frage stelle ich Ihnen als Abgeordneten meines Wahlkreises.
Während und nach dem 2. Weltkrieg wurden von den Siegermächten, namentlich vor allem von der UdSSR, deutsche Kulturgüter beschlagnahmt und außer Landes verbracht. Umgangssprachlich werden diese Kulturgüter als Beutekunst bezeichnet.
Auf dem Territorium der an Polen gefallenen früheren Gebiete des Deutschen Reichs hat Polen diese Kulturgüter an sich genommen und bezeichnet diese als Ausgleich für die erlittenen polnischen Verluste. Meines Wissens hat Rußland diese Kulturgüter als sein ständiges Eigentum erklärt und argumentiert ähnlich wie Polen. Deutschland hat lange Zeit über die Rückgabe dieser widerrechtlich entwendeten Kulturgüter verhandelt. Dazu nun meine Fragen:
1. Wie ist der aktuelle Stand dieser Verhandlungen und ist daraus folgend damit zu rechnen, dass die Kulturgüter zurück an die rechtmäßigen Eigentümer gelangen?
2. Vor welchem Hintergrund unterstützt die Bundesrepublik Deutschland Staaten, die sich weigern, Kulturgüter nach international anerkannten Vereinbarungen an Deutschland zurück zu geben? Wie wird im Gegenzug von Seiten Deutschlands Druck auf diese Staaten zur Durchsetzung dieser Interessen ausgeübt?
Mit freundlichen Grüßen
Frank Leutheußer
Sehr geehrter Herr Leutheußer,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage über www.abgeordnetenwatch.de. Leider kann ich Ihnen erst jetzt antworten, da ich Eingänge, die mich auf persönlichem Weg erreichen (Post, Fax, Email) mit höherer Priorität bearbeite.
Zu Ihrer ersten Frage:
Die Bundesregierung setzt sich seit Jahren für die Rückführung der kriegsbedingt aus Deutschland verlagerten oder entwendeten Kulturgüter, der sogenannten „Beutekunst“, ein. Hierzu zählen zum einen Kulturgüter, die zum Schutz vor Bombardierungen während des 2. Weltkriegs in Gebiete ausgelagert wurden, die nach Kriegsende anderen Staaten zufielen (Sowjetunion/Russland, Polen). Zum anderen gehören dazu die Beschlagnahmeaktionen sowjetischer Stellen in ihrer Besatzungszone während und nach dem Krieg, die nicht vom Völkerrecht gedeckt sind. Nach der Auflösung der Sowjetunion haben Verhandlungen mit den Nachfolgestaaten (Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Ukraine) stattgefunden. In der Folgezeit kam es immer wieder zu Rückführungen, von denen ich hier einige beispielhaft in Stichworten nennen möchte:
So gab Armenien 575 deutsche Musikalien, Bücher und Archivalien an Deutschland zurück (1998), weitere 18.000 Bücher wurden im Jahr 2000 nach Deutschland zurückgeführt, •die Ukraine gab das Archiv der Sing-Akademie zu Berlin zurück, das unter anderem 400 Autographe und Drucke von Carl Philipp Emmanuel Bach enthält (2002), sowie 142 Kupferstiche des 17. und 18. Jahrhunderts aus den Beständen des Dresdner Kupferstichkabinetts (2004), •zuletzt wurden von Russland die fehlenden sechs Bleiglasfenster der Marienkirche in Frankfurt an der Oder zurückgeführt (2008).
Allein in Russland lagern gegenwärtig noch rund eine Million Gegenstände der bildenden Kunst, 4,6 Millionen Bücher und drei Kilometer Archivalien. Die Verhandlungen über die Rückführung dieser Kulturgüter gestalten sich als äußerst schwierig, was auf einer ganzen Reihe von Gründen beruht. Unter anderem wird die Rückführungsproblematik in den betreffenden Ländern durch vielschichtige innenpolitische Entwicklungen beeinflußt. Vor allem die russische Position zielt darauf ab, die nach dem 2. Weltkrieg abtransportierte deutsche Kunst als eine Form der Reparationsleistung zu klassifizieren.
Zu Ihrer zweiten Frage:
Um die deutschen Interessen im Sinne einer Rückführung der Kulturgüter zu wahren, muss mit Beharrlichkeit in Rahmen einer konstruktiven Gesamtentwicklung der jeweiligen bilateralen Beziehungen weiterverhandelt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Dr. Carl-Christian Dressel, MdB