Cansel Kiziltepe
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Frage von Beate S. •

Wie beurteilen Sie das nordische Modell zu Freier- und Zuhälterbestrafung und Ausstiegshilfen aus der Prostitution?

Cansel Kiziltepe
Antwort von
SPD

Liebe Frau S.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Unser Ziel muss sein, sexuelle Ausbeutung, Gewalt und Menschenhandel konsequent zu bekämpfen. Zugleich wollen wir jedoch selbstbestimmten Sexarbeiter*innen besseren Schutz bieten und deren rechtliche Stellung stärken. Als SPD-Abgeordnete ist mir aus parlamentarischer Perspektive vor allem wichtig, Sexarbeiter*innen nicht moralisch zu verurteilen. Sexuelle Selbstbestimmung gilt auch im Rahmen der Berufswahl und wird durch eine allgemeine Kriminalisierung von Prostitution nicht gestärkt, sondern vielmehr unterdrückt. Frauen, die Sexarbeit nachgehen, sollen auf keinen Fall dafür bestraft werden.

Das Nordische Modell wird in Deutschland kontrovers diskutiert. Ein zentraler Bestandteil des Nordischen Modells ist ein sogenanntes „Sexkaufverbot“. Inwiefern eine generelle Kriminalisierung von Prostitution aber tatsächlich Probleme wie Zuhälterei, Menschenhandel und Arbeitsausbeutung eindämmt, ist bisher nicht wissenschaftlich gesichert. Zu diesem Ergebnis kommen verschiedene wissenschaftliche Studien über das Nordische Modell, wie es insbesondere seit 1998 in Schweden praktiziert wird.

Petra Östergren und Susanne Dodillet (2019, https://www.bundestag.de/resource/blob/678116/53f1edc9dc0f14f544a4bb076edfa9f4/WD-9-082-19-pdf-data.pdf) ziehen in einer Auswertung des Nordischen Modells den Schluss, dass der durch ein Sexkaufverbot gewünschte drastische Rückgang von Menschenhandel bisher nicht zu verzeichnen sei. Die Dissertation der Juristin Kathrin Heinzl (2016) zu Prostitution im Strafrecht weist darüber hinaus auf neue Probleme hin, die aus einer Verdrängung von Sexarbeiter*innen aus dem öffentlichen Raum resultieren. Dazu gehören eine noch stärkere Stigmatisierung von Sexarbeit sowie ein Anstieg von Gewalt. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Erfolg eines Sexkaufverbots bisher noch nicht wissenschaftlich gesichert ist. Fraglich ist also, ob dessen Einführung in Deutschland die gewünschten Ergebnisse erzielen würde.

Ich bin deshalb der Meinung, dass es statt Verboten vielmehr eine konsequente Regulierung braucht, um sexueller Ausbeutung einen Riegel vorzuschieben. Zudem bin ich davon überzeugt, dass die Ausstiegshilfen und Beratungsangebote für Sexarbeiter*innen in Notsituationen ausgebaut werden müssen.

Dazu müssen wir natürlich alle bisher umgesetzten Maßnahmen im Rahmen des Prostitutions- und Prostituiertenschutzgesetzes regelmäßig evaluieren und diese nachbessern, wenn sie unser aller gemeinsames Ziel, Sexarbeiter*innen zu schützen und Arbeitsausbeutung zu verhindern, bisher noch verfehlen. Dafür setze ich mich im Rahmen meiner politischen Arbeit ein.

Mit freundlichen Grüßen

Cansel Kiziltepe, MdB