Der Bundeswaglleiter fordert für 6 von 12 Wahlkreisen in Berlin Neuwahlen. Wie sollen sich Bürgerinnen in Zukunft verhalten, wenn falsche Wahlzettel verteilt werden oder Minderjährige wählen?
Sehr geehrte Frau Kiziltepe, MdB, der Tagesspiegel vom 25.5.22 zitiert Sie, wie folgt: „Die Wahlen werden von den Bürgerinnen in Selbstorganisation durchgeführt. Es ist ein Trauerspiel, dass die CDU versucht, diese Schwierigkeiten parteipolitisch zu instrumentalisieren.“
Wie erkenne ich, in Selbstorganisation, falsche Wahlzettel?
Liegt die Verantwortung also nicht mehr bei der Wahlleitung?
Ab wann sollte ich, als Wähler, die Bundespolizei rufen, um meiner Selbstorganisation gerecht zu werden? Wenn Minderjährige und Ausländer mit den Kommunalwahlunterlagen zugleich Bundesttagswahlunterlagen erhalten?
Und was kann ich ändern, wenn selbst die anwesenden Wahlleiter machtlos waren?
Sehr geehrter Herr S.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerade auch im Angesicht der Pannen, die es bei der Durchführung der Wahlen im September 2021 in einzelnen Stimmbezirken von verschiedenen Wahlkreisen gegeben hat, weiß ich ihr Engagement als Bürger für die demokratischen Wahlen in unserem Land sehr zu schätzen.
Die Wahl zum Deutschen Bundestag erfolgt nach einem bestimmten, im Bundeswahlgesetz und der Bundeswahlordnung geregelten Verfahren. Dieses Verfahren reicht von der Wahlvorbereitung zur Wahlhandlung und über die Feststellung des Wahlergebnisses bis zum Erwerb der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag. Die gesamte Aufsicht und Leitung liegt hierbei bei den im Bundeswahlgesetz vorgeschriebenen Wahlorganen. Wichtig hierbei ist, dass diese Wahlorgane eben keine Behörden oder öffentlichen Stellen des Bundes sind, sondern Einrichtungen gesellschaftlicher Selbstorganisation.
Die aus dem Kreis der Wahlberechtigten gebildeten Wahlausschüsse und Wahlvorstände leiten und kontrollieren in den entscheidenden Abschnitten des Wahlverfahrens die Wahl selbst. Damit sind sie eine Art „Selbstverwaltungsorgane“ der Wähler*innenschaft. Diese Selbstorganisation kann in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden: Dass die Leitung und Kontrolle der Wahl aus der Wähler*innenschaft selbst heraus organisiert wird, ist der Garant schlechthin für freie, gleiche und geheime Wahlen in unserer demokratisch-freiheitlichen Grundordnung. Nur in diesem Kontext ist also meine von Ihnen zitierte Aussage zu verstehen: Die Selbstorganisation der Wahlen als Malus anzukreiden, widerspricht ihrem hohen Stellenwert als Grundpfeiler unserer demokratischen Willensbildung. Die Wahlhelfer*innen bilden hierbei das Fundament für die Organisation dieser Willensbildung in unserem Land und ihnen allen sind wir daher zu großem Dank verpflichtet. Sollten Ihnen als Bürger dennoch mögliche Fehler bei der Wahldurchführung auffallen, so sprechen Sie den jeweiligen Wahlvorstand in Ihrem Wahllokal an. Dieser ist in der Lage, auf eventuelle Schwierigkeiten sachgerecht zu reagieren.
In der Selbstorganisation der Wahl liegt also eine große Chance, aber auch eine große Herausforderung – letzteres in Zeiten der Pandemie und in einer Millionenstadt wie Berlin umso mehr. Die mündliche Anhörung Ende Mai hat gezeigt, dass es Pannen in einzelnen Stimmbezirken von verschiedenen Wahlkreisen gegeben hat. Hieraus müssen wir lernen, damit wir es bei der nächsten Wahl besser machen. Die Entscheidung des Wahlprüfungsausschusses steht noch aus: Ich bin überzeugt, dass er sachgerecht und im Sinne der demokratischen Durchführung unserer Wahlen entscheiden wird.
Mit freundlichen Grüßen
Cansel Kiziltepe