Frage an Cansel Kiziltepe von Monika N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wieso soll einer - der Demokratie und Zivilgesellschaft dienenden Petitionsplattform - wie "Change.org" die Gemeinnützigkeit aberkannt werden, während hingegen es möglich ist, dass Unternehmen wirklich jede Ausgabe ihrer Lobbyarbeit - in zumeist nicht unerheblicher Höhe - von der Steuer absetzen können?
Sehr geehrte Frau Neiß,
vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Seiten wie change.org.
Ich befürworte keineswegs die Entziehung der Gemeinnützigkeit von Vereinen, die sich auch politisch engagieren und damit einen wichtigen Beitrag zur aktiven Zivilgesellschaft und politischen Meinungsbildung der Gesellschaft beitragen. Die Formulierung von politischen Zielen, ist nach Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH), mit dem Gemeinnützigkeitsrecht vereinbar. Der BFH hat jedoch verlangt, dass die Aktivitäten von Vereinen wie change.org sich von politischen Parteien unterscheiden müssen. Dafür ist es nicht allein ausreichend, dass Vereine keine politischen Ämter anstreben. Das Gemeinnützigkeitsrecht soll grundsätzlich verhindern, dass Vereine missbraucht werden um Spenden für Parteien zu sammeln und sich für deren Anliegen einzusetzen, wie es etwa in den USA gängig ist. Aufgrund von bekannten Fällen aus der deutschen Vergangenheit dazu, z.B. der Fall „Staatsbürgerliche Vereinigung“, wurde das Gemeinnützigkeitsrecht sehr restriktiv formuliert.
Es ist offensichtlich, dass diese Regelungen hinsichtlich change.org die Falschen erfasst. Das Parlament und die Parteien können jedoch keine direkten Entscheidungen treffen. In dem konkreten Fall von change.org muss die Sachlage und das Urteil vom Finanzamt gesprochen werden. Das Finanzamt ist bei seinen Entscheidungen an das Gesetz gebunden.
Ich bin der Ansicht, dass gesetzliche Klarheit geschaffen werden muss. Die Politik muss einsehen, dass sich die Beteiligungsformen in politisch- und zivilgesellschaftlichem Rahmen verändert haben. Ein zeitgemäßes Gemeinnützigkeitsrecht sollte dies implementieren. SPD-Finanzminister Olaf Scholz hat bereits angekündigt, dass Gemeinnützigkeitsrecht noch in dieser Legislaturperiode zu reformieren. Dabei stehen mehrere Handlungsoptionen im Raum, z.B. die Zulassung steuerbegünstigter politische Vereine oder eine Änderung der gemeinnützigen Zwecke in der Abgabenordnung.
Mit freundlichen Grüßen
Cansel Kiziltepe