Frage an Cansel Kiziltepe von Ralf A. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Kiziltepe,
die SPD plakatiert unter anderem den Slogan "wer 100% leistet, darf nicht 21% weniger verdienen". Dies ist m.E. unseriös und zeugt von geringem Sachverstand oder blindem Werbe-Populismus. Denn es dürfte auch der SPD nicht verborgen geblieben sein, dass das Statistische Bundesamt selbst bei seiner Erhebung zum Gender Pay Gap unmissverständlich hervorhebt, dass (ZITAT) "Aussagen zum Unterschied in den Verdiensten von weiblichen und männlichen Beschäftigten mit gleichem Beruf, vergleichbarer Tätigkeit und äquivalentem Bildungsabschluss damit nicht möglich sind." ( https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/BevoelkerungSoziales/Arbeitsmarkt/GenderPayGap.html ).
Hinzu kommt, dass die Behebung dieses Problems leicht einzuschränken wäre, indem die Gehälter der stark von Frauen frequentierte Berufe (Erzieher, Kranken-, Altenpflege) aufgewertet und besser (sprich: angemessener!!) bezahlt werden. Besonders pikant ist dabei, dass die entsprechenden Einrichtungen zu einem großen Teil von öffentlichen Trägern und/oder der vom Staat gepamperten Kirche betrieben werden. Kurzum: Als Regierungspartei hat es die SPD selbst in der Hand, das Gap zu verkleinern.
Statt der irreführenden Effekthascherei mit den 21%, wären Taten passender.
Und auch hier, wie schon bei meiner anderen Frage, der Zusatz: Oder habe ich es etwas wichtiges übersehen?
Grüße von Kreuzberg nach Kreuzberg
R. A.
p.s. Frage geht wie gewohnt parallel an Ihr Büro und an abgeordnetenwatch.de
Sehr geehrter Herr A.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Grundlage der Berechnungen der Entgeltungleichheit von Frauen und Männern ist die „unbereinigte“, d.h. durchschnittliche bzw. einfache Lohnlücke (Gender Pay Gap). Dieser Wert vergleicht den Durchschnittsverdienst aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einfacher Form miteinander. Daraus ergibt sich eine geschlechtsspezifische Lohnlücke von 21%. Grundlage der Berechnungen des Statistischen Bundesamtes, auf deren Berechnungen die 21% beruhen, sind vierteljährliche Verdiensterhebungen. Mithilfe des unbereinigten Gender Pay Gap wird auch der Teil des Verdienstunterschiedes erfasst, der durch schlechtere Zugangschancen von Frauen hinsichtlich bestimmter Berufe oder Karrierestufen verursacht wird, die ebenfalls das Ergebnis benachteiligter Strukturen sind. Das Statistische Bundesamt berichtet regelmäßig über ihre Seite unter dem Stichwort „Gender Pay Gap“, hier: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/QualitaetArbeit/Dimension1/1_5_GenderPayGap.html .
Jetzt zur Ihrer angesprochenen Kritik. Unbereinigt heißt natürlich auch, dass es eine „bereinigte“ Berechnung des geschlechtsspezifischen Lohnabstandes gibt. Das ist, so denke ich, die Zahl die Sie gerne erfahren möchten. Der sogenannte „bereinigte“ Gender Pay Gap. Der bereinigte Gender Pay Gap stellt den Verdienstabstand zwischen von Frauen und Männern mit klar vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten, Erwerbsbiographien und Branchen dar. Dieser lag – im letzten verfügbaren Berechnungsjahr 2014 – bei 6 %. In aller Kürze finden Sie hier die Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes zum Unterschied mit weiterführenden Links: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2017/03/PD17_094_621.html . Dieser bereinigte Gender Pay Gap kann folglich nicht mit Qualifikationen, Tätigkeiten, Erwerbsbiographien und Branchen erklärt werden. Darum geht es mir und der SPD.
Sie haben ja auch auf einige Maßnahmen hingewiesen, die dringend eingeleitet werden müssen, damit die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern langfristig geschlossen werden kann. Wir haben als SPD-Bundestagsfraktion in einem ersten Schritt das Lohntransparenzgesetz verabschiedet. In einem zweiten Schritt wollen wir das Transparenzgesetz zu einem Entgeltgleichheitsgesetz mit Verbandsklagerecht weiterentwickeln. Beschäftigte in kleinen und mittleren Betrieben sollen dabei mit einbezogen werden, da hier die meisten Frauen beschäftigt sind. Um Transparenz sicherzustellen, werden wir umfassende Auskunftsansprüche ausbauen. Zusätzlich wollen wir verpflichtende Prüfverfahren der Entgeltstrukturen nach vorgegebenen Kriterien auch schon in Unternehmen ab 50 Beschäftigten einführen.
Mit der Frauenquote in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst haben wir bereits einen Kulturwandel in der Arbeitswelt eingeleitet. Das heutige Ehegattensplitting bietet unter bestimmten Voraussetzungen einen Anreiz für die Beibehaltung der traditionellen Rollenverteilung. Wir halten es allerdings für nicht mehr zeitgemäß. Denn es geht an fast jeder zweiten Familie mit Kind vorbei: Alleinerziehende, unverheiratete Paare, aber auch Ehepartner mit in etwa gleich hohem Einkommen sind von den steuerlichen Vorteilen des Ehegattensplittings ausgeschlossen. Hinzu kommt: Vom derzeitigen System aus Kindergeld und Kinderfreibeträgen profitieren vor allem Familien mit höheren Einkommen. Das ist ungerecht. Nach unseren Vorstellungen soll ein neuer Familientarif mit Kinderbonus das alte Ehegattensplitting ersetzen und auf die Förderung von Kindern ausgerichtet sein. Das gilt für Verheiratete wie unverheiratete Eltern mit Kindern. Partner in heute schon bestehenden Ehen sollen wählen können, ob sie das alte Splittingsystem behalten oder in den neuen Familientarif wechseln wollen.
Wie Sie sehen ist die Geschlechterungleichheit im Berufsleben und v.a. der Gender Pay Gap eine komplexe Materie, die eine Vielzahl an Maßnahmen erfordert.
Mit freundlichen Grüßen
Cansel Kiziltepe