Frage an Cansel Kiziltepe von Melissa S. bezüglich Frauen
Sehr geehrte Frau Kiziltepe,
das Europaparlament hat bereits 2014 eine Resolution verabschiedet, die Prostitution als Verstoß gegen die Menschenwürde sieht und allen Mitgliedsstaaten nahelegt das "Nordische Modell" zu übernehmen. Dieses sieht eine Kriminalisierung von Freiern und Profiteuren der Prostitution vor. Die prostituierte Person wird entkriminialisiert und beim Ausstieg unterstützt. Durch antisexistische Öffentlichkeitsarbeit wird die Gesellschaft angeregt über Prostitution und die davon ausgehenden Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern zu reflektieren. Das Ziel ist eine aufgeklärte gleichberechtigte Gesellschaft, in der kein Geschlecht durch das andere benutzt werden kann.
Dieses System ist bereits in Schweden, Norwegen, Island, Nordirland, Frankreich und Kanada umgesetzt. In Israel wird gerade eine Umsetzung diskutiert. In Deutschland ist jetzt das neue Prostituiertenschutzgesetz in Kraft getreten und alle politischen Bemühungen setzen auf bessere Arbeits- und Schutzbedingungen. Ein Hinterfragen dieses System durch die Politik ist auf Bundesebene nicht in Sicht. Gerade in Berlin ist die Pro-Prostiutionslobby sehr stark politisch und medial vertreten.
Wie stehen Sie zu diesem Thema? Wo sehen Sie Möglichkeit zur Veränderung und Aufklärung?
Vielen Dank im voraus!
Freundliche Grüße
Sehr geehrte Frau S.,
vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.de.
Es gibt bislang aus Schweden keine gesicherten Belege dafür, dass die Kriminalisierung durch ein Sexkaufverbot den Menschenhandel eindämmt und den Prostituierten ein besseres Leben garantiert. Die Wissenschaftlerinnen Petra Östergren und Susanne Dodillet sind im Zuge einer Auswertung des seit dem Jahr 1998 geltenden Sexkaufverbots in Schweden nach Durchführung von Befragungen und Studien zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine gesicherten Statistiken gibt, die einen drastischen Rückgang des Menschenhandels seit Einführung des sogenannten Schwedischen Modells belegen. Im parlamentarischen Verfahren war es mir daher persönlich besonders wichtig, käuflichen Sex nicht moralisch zu verurteilen. Bei allen politischen Strategien für den Umgang mit Prostitution sollte es darum gehen, das Prostitutionsgewerbe zu regulieren und die in der Prostitution tätigen Frauen und Männer besser zu schützen.
Bereits im Koalitionsvertrag hat sich die SPD deshalb mit der CDU/CSU darauf geeinigt, das Prostitutionsgesetz im Hinblick auf die Regulierung der Prostitution umfassend zu überarbeiten und ordnungsbehördliche Kontrollmöglichkeiten gesetzlich zu verbessern. Ziel des Gesetzgebungsverfahrens war es, die Situation für die Prostituierten durch eine Stärkung des Selbstbestimmungsrechts zu verbessern und einen besseren Schutz vor Ausbeutung, Zuhälterei, Gewalt und Menschenhandel sicherzustellen. Das Prostitutionsschutzgesetz sollte kein Gesetz sein, das kriminalisiert und Frauen und Männer in der Prostitution in den Untergrund treibt, oder Sexarbeiter davon abhält, sich Hilfe zu suchen. Gerade deshalb war der SPD-Bundestagsfraktion ein Gesetz wichtig, das einen regulierenden Rahmen schafft und für bessere Arbeitsbedingungen sorgt.
Durch die hart erkämpfte Einigung mit der CDU/CSU zum Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) konnten wir viele Verbesserungen für Prostituierte durchsetzen: Mehr Unterstützung durch Beratung, mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten und damit auch vor allem einen besseren Schutz vor Gewalt und Diskriminierung in der Prostitution. Der Zugang von Prostituierten zu sozialer und gesundheitlicher Beratung wird künftig verbessert. Beratung wird zur Voraussetzung einer vollständigen und gültigen Anmeldung. Als SPD war uns von Anfang an wichtig, dass niemand gegen seinen Willen zu einer Gesundheitsuntersuchung gezwungen werden darf. Durch die sinnvolle Verknüpfung von Anmeldung und dem Nachweis einer Beratung durch Fachkräfte des öffentlichen Gesundheitsdienstes konnten wir die von der Union geforderten Zwangsuntersuchungen erfolgreich verhindern. Wichtig ist, das Anmeldeverfahren von den Prostituierten nicht als Gängelung empfunden werden und zu weiterer Kriminalisierung führen. Gleichzeitig war es von Beginn an erklärtes Ziel der Koalition, den zu regulierenden Bereich und den strafrechtlich relevanten Bereich voneinander zu trennen. Menschenhandel und Zwangsprostitution müssen konsequent bekämpft werden.
Der Umgang mit Prostitution in Deutschland ist ein nach wie vor nicht abgeschlossener Prozess. Die Wirkung des Prostitutionsschutzgesetzes werden wir nach fünf Jahren evaluieren. Maßgabe hierfür muss sein, ob das Gesetz seinem Auftrag, Prostituierte zu schützen, gerecht geworden ist. Sollte dies nicht der Fall sein, wird die SPD nachbessern.
Mit freundlichen Grüßen
Cansel Kiziltepe