Cansel Kiziltepe
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Frage von Jonas von W. •

Frage an Cansel Kiziltepe von Jonas von W. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Kiziltepe,

die große Koalition plant schon für morgen eine Verfassungsänderung, welche über öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP) die Privatisierung von Infrastruktur (also Allgemeingut) in Deutschland ermöglichen soll.
In einer Zeit, in der der Staat zu Negativzinsen notwendige Infrastrukturmaßnahmen durchführen könnte, sollen diese Investitionen also zum Teil vom privaten Sektor übernommen werden, welcher deutlich höhere Renditeforderungen stellt, als die Zinsen auf Staatsanleihen. Es geht hier also um einen Schaden in Milliardenhöhe für den Deutschen Steuerzahler. Hierfür spielt es keine Rolle, dass die zuständige Gesellschaft für die Organisation in öffentlicher Hand bleibt.
Selbst in der Diskussion mit promovierten Wirschaftswissenschaftlern ist uns keine sinnvolle Begründung dieser Strategie eingefallen. Es scheint auf folgende zwei Punkte hinauszulaufen.
1. Befriedigung eines einflussreichen Bündnisses von Lobbyisten aus Versicherungen und anderer institutioneller Investoren
2. Augenwischerei, auf Kosten zukünftiger Haushalte Investitionen zu tätigen, ohne die Schwarze Null dieses Haushaltes zu gefährden (Ein Trick, den deutsche Politiker nicht müde wurden, bei Griechenland zu kritisieren).

Da es hier um eine folgenschwere Verfassungsänderung geht, haben Sie sich sicherlich viele Gedanken zu dem Thema gemacht.
Mich interessiert daher:
1. Wie werden Sie bei dem Gesetzesentwurf stimmen?
2. Wie begründen Sie Ihre Haltung zu dem Entwurf?

Mit freundlichen Grüßen

Jonas von Wangenheim

Cansel Kiziltepe
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr von Wangenheim,

vielen Dank für Ihre Frage bei abgeordnetenwatch.de. Wie Ihnen nicht entgangen sein wird, ist das Gesetzespaket zur Neuregelung des Länderfinanzausgleichs und zur Gründung einer Autobahngesellschaft mit 2/3-Mehrheit leider beschlossen worden. Viele SPD-Abgeordnete haben zum Bau und Betrieb der Autobahnen zugestimmt, obwohl sie die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft ablehnen. Das liegt daran, dass die Abstimmung in Form eines Pakets gemeinsam mit einer Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs stattgefunden hat. Von dieser Reform profitieren besonders die weniger finanzkräftigen Länder, die seit der Schuldenbremse erhebliche Schwierigkeiten haben, ihre Aufgaben zu erfüllen. Viele Kommunen sind chronisch unterfinanziert.

Für mich war diese Entscheidung ebenfalls nicht leicht zu treffen. Ich habe nach reiflicher Überlegung dennoch mit NEIN abgestimmt, da ich das Risiko einer Autobahnprivatisierung als zu hoch einschätze. Die Abstimmung als Paket lehne ich strikt ab, da sie meiner Ansicht nach einen unzulässigen Erpressungsversuch darstellt.

Meine Stellungnahme, in der ich die Gründe für mein Abstimmungsverhalten erläutere, finden Sie auf meiner Homepage: http://cansel-kiziltepe.de/warum-ich-gegen-die-autobahnprivatisierung-gestimmt-habe/

Zwar hat die SPD-Fraktion im Laufe des Verfahrens einige Verbesserungen durchgesetzt. So etwa die Erweiterung der Kontrollrechte des Bundestages und des Bundesrechnungshofes. Auch wurde grundgesetzlich festgeschrieben, dass Private keine Beteiligung am Eigenkapital der Gesellschaft oder ihrer Tochtergesellschaften erwirken können.
Dennoch bleiben erhebliche Mängel: Die Autobahngesellschaft kann zukünftig mit einfacher Mehrheit des Bundestages in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden.

Eigenkapitalähnliche Finanzierungsformen sind nur unzureichend ausgeschlossen. Die Hauptgefahr besteht zudem darin, dass nun ÖPP-Projekte in großem Stil möglich werden. Versicherungen und Banken verfolgen jetzt schon die Ziele, künftig an Bau und Unterhalt der Autobahnen kräftig mitzuverdienen. Das ginge zulasten der Steuerzahler. Und schlussendlich lehne ich die Art und Weise, wie ein so weitreichendes Gesetz abgestimmt wurde, entschieden ab.

Mit freundlichen Grüßen,
Cansel Kiziltepe