Frage an Cansel Kiziltepe von Delciza N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Kiziltepe,
besteht die Gefahr, dass durch das Freihandelsabkommen TTIP der gesetzgeberische Spielraum der Deutschen Bundestagsabgeordneten in irgendeiner Weise eingeschränkt wird? Wenn ja, können Sie mir bitte ein Beispiel oder Beispiele nennen?
Sehr geehrte Frau Naghiu,
vielen Dank für Ihre Frage bei abgeodnetenwatch.de, welche ich gerne beantworte. Es gibt vor allem zwei Bereiche in TTIP, die im Hinblick auf mögliche Einschränkungen des gesetzgeberischen Spielraums des Deutschen Bundestags kritisch zu bewerten sind:
1. Investitionsschiedsgerichtsbarkeit (ISDS) zugunsten von Konzernen gegenüber Staaten.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass alleine die Möglichkeit, gegen gesetzliche Regelungen vorzugehen zu einer gehemmten Gesetzgebung führen kann. (https://blog.campact.de/wp-content/uploads/2014/10/LawFirmsReport-DE.pdf) Aus diesem Grund muss das bestehende System des Investitionsschutzes im Rahmen von Handelsverträgen dringend geändert werden.
Es gibt mittlerweile zwar Vorschläge von Seiten der Europäischen Kommission, welche einen neu zu schaffenden Investitionsgerichtshof und ein Berufungsgericht beinhalten. Diese Vorschläge sind meiner Meinung nach jedoch nicht ausreichend. Wenn der Investitionsschutz Bestandteil eines Abkommens wie TTIP sein soll, dann ist die Schaffung eines ständigen Internationalen Handelsgerichtshofs die einzige sinnvolle Möglichkeit. (https://www3.spd.de/linkableblob/127484/data/20150223_ceta_isds_papier_madrid.pdf)
2. Regulatorische Kooperation im Rahmen eines lebendigen Abkommens.
TTIP-Befürworter argumentieren häufig, dass die sogenannte regulatorische Kooperation das Abkommen lebendig halte und zukunftsfest mache. Die TTIP-Leaks von Greenpeace (https://www.ttip-leaks.org/) zeigen jedoch deutlich, in welchem Geist diese Kooperation stehen soll: Lobbyisten sollen künftig bereits in frühen Stadien der Gesetzgebung und Regulierung Einblick in die Vorhaben bekommen. Außerdem sollen sie Stellung beziehen können. Damit würde der Lobbyismus der Großkonzerne ganz offiziell Teil der Gesetzgebung.
Spätestens mit der Veröffentlichung der TTIP-Leaks ist klar geworden, dass die TTIP-Verhandlungen gescheitert sind. Die Positionen zwischen der EU und den USA liegen vor allem in den beiden oben genannten Punkten meilenweit auseinander.
Von Anfang an habe ich - zusammen mit vielen anderen Kritikern - die mangelnde Transparenz bei den TTIP-Verhandlungen und die grundsätzlich falsche wirtschafts- und sozialpolitische Orientierung des Abkommens kritisiert. Dies werde ich auch weiterhin tun.