Frage an Cansel Kiziltepe von John H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Laut der Global Commission on Drug Policy, gegründet unter anderem von Kofi Annan 2011, und dem Großteil der Wissenschaft ist der Krieg gegen Drogen gescheitert. Trotzdem hält die Bundesregierung an der gescheiterten Politik fest. Wie stehen Sie zu dieser Politik?
Ist es nicht auch Ihre Aufgabe als Mitglied des Bundestages dafür zu sorgen das der Krieg gegen Drogen und der damit einhergehenden Toten, z.B. Mexiko 2013 schon 70000 Tote, ein Ende findet? Deutschland zählt zu den reichsten Ländern der Welt, steht für eine der größten Nachfrage nach Drogen auf dem internationalen Markt und ist damit entscheidender Motor der damit einhergehenden sozialen Ungerechtigkeiten. Da die wissenschaftliche Perspektive, vollständige Re-Legalisierung der gesamten illegalisierten Substanzen, scheinbar nicht konsensfähig ist, innerhalb der politischen Klasse, wäre es zumindest ein Zeichen sozialer Verantwortung sich endlich für die Re-Legalisierung von Cannabis einzusetzen und damit die erste Substanz aus dem unkontrollierbaren Schwarzmarkt zu lösen. Wie stehen sie als Bundestagsabgeordnete zu diesen Fragen?
Sehr geehrter Herr Hoff,
herzlichen Dank für Ihre Frage. Ich habe mich stets für eine umsichtige und undogmatische Drogenpolitik eingesetzt. Die Entkriminalisierung des Cannabiskonsums halte ich dementsprechend ebenso wie Sie für einen erstrebenswerten Schritt. Dabei geht es mir nicht um eine Verharmlosung der Probleme, die auch der Cannabiskonsum hervorrufen kann, vielmehr halte ich eine Bekämpfung dieser Probleme bei legalen Konsummöglichkeiten für effektiver.Zunächst sei angemerkt, dass es viele Menschen gibt, die mit dem Konsum von Cannabis ebenso verantwortungsvoll umgehen, wie dies viele Menschen mit Alkohol tun. Für diese Menschen führt ein Verbot zu einer ungerechtfertigten Kriminalisierung, da sie weder sich noch anderen einen Schaden zufügen, der über den von anderen erlaubten Genuss- oder Berauschungsmitteln hinausgeht.Es gibt aber auch viele Menschen, die keinen verantwortungsvollen Cannabiskonsum pflegen. Mit ihrem Verhalten wird oft die Notwendigkeit des Verbots begründet. Ich halte dies allerdings nicht für nachvollziehbar. Zum einen deutet in meinen Augen nichts darauf hin, dass die Kriminalisierung dafür gesorgt hätte, dass Menschen mit problematischem Cannabiskonsumverhalten dieses geändert hätten. Zum zweiten werden diese Menschen durch die Kriminalisierung deutlich schwerer von Hilfsmaßnahmen gegen den unverantwortlichen Konsum erreicht, als dies bei einer Legalisierung der Fall wäre. Zwar ist Deutschland im internationalen Vergleich bei Hilfsangeboten für Drogenabhängige weltweit wohl mit am besten aufgestellt, dennoch erreicht man viele Abhängige nicht, die man bei einem kontrollierten Erwerb mit integrierter Suchtprävention erreichen könnte. Durch die Kriminalisierung werden diese nicht nur nicht erreicht, sondern in vielen Fällen von einem vernünftigen Lebensweg noch weiter abgedrängt. Sie werden stigmatisiert, durch Verurteilungen sinkt die Möglichkeit eine auskömmliche Erwerbstätigkeit zu führen und man ist gezwungener Maßen in ständigem Kontakt mit kriminellen Dealern. Sowohl verantwortungsbewusste Konsumenten, als auch Abhängige Personen sind darüber hinaus durch die illegale und intransparente Produktion gesundheitlichen Risiken aufgrund der oftmals vorkommenden Beimischung von gesundheitsgefährdenden Streckmitteln ausgesetzt.Wenn man also davon ausgehen kann, dass das Verbot des Cannabiskonsums keine Vorteile sondern eher Nachteile auf die gesundheitliche Entwicklung in der Gesellschaft hat, so würden sich mit einer Entkriminalisierung auch Entlastungen der Polizei auf dem Gebiet der Verfolgung möglich werden, die für verstärkten Einsatz in anderen Bereichen genutzt werden könnte. Jahr für Jahr muss die Polizei ca. 100.000 Verstöße gemäß § 29 des Betäubungsmittel Gesetzes im Bereich Cannabis behandeln, die darin gebundene Arbeitszeit könnte bei einer Legalisierung in die Bekämpfung von weit problematischerer Kriminalität investiert werden.So hat die BVV-Fraktion der SPD Friedrichshain-Kreuzberg für den Beschluss zum „Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis ermöglichen“ gestimmt. Dieses Modellprojekt, welches eine Vorstufe zu einer legalen Abgabestelle von Cannabisprodukten sein kann, hat begonnen und die Ergebnisse sollten abgewartet werden.Des Weiteren sind in der aktuellen Koalition mit der Union auf dem Gebiet der Drogenpolitik kaum Veränderungen möglich. Auch innerhalb der SPD befinden wir uns in einem Diskussionsprozess der durch die Studie der Friedrich Ebert Stiftung „Entkriminalisierung und Regulierung“ vom Juni 2013 erst langsam anläuft. In diese Diskussion werde ich mich mit den oben genannten Argumenten einbringen.Den von Ihnen angeführten Zusammenhang zwischen Verbot des Drogenkonsums und der brutalen Kriminalität in den Drogenanbauländern halte ich, was die Entstehung betrifft durchaus für plausibel, ob eine permissivere Drogenpolitik allerdings die Gewaltspirale wieder zurückdreht, darf bezweifelt werden. Das organisierte Verbrechen hängt nicht nur, wie man aus anderen Ländern weiß, an den Drogen, seine menschenverachtenden Aktivitäten können auch problemlos auf andere Bereiche übergreifen. Hier werden tiefergehende Anstrengungen von Nöten sein, um diese verbrecherischen Strukturen zu durchbrechen.
Ich hoffe ich konnte Ihre Fragen damit befriedigend beantworten und verbleibe mit freundlichen Grüßen, Cansel Kiziltepe