Cansel Kiziltepe
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Frage von Rainer L. •

Frage an Cansel Kiziltepe von Rainer L. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Kiziltepe,

wie ist Ihre persönliche Meinung zum bedingungslosen Grundeinkommen?

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Locke

Cansel Kiziltepe
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Locke,

herzlichen Dank für Ihre Frage. Meine Meinung zum bedingungslosen Grundeinkommen sieht wie folgt aus:

Zunächst ist festzuhalten, dass es begrüßenswert ist, wenn jenseits der lange Zeit vorherrschenden vermeintlichen Sachzwang-Logik über ein sozialeres Deutschland diskutiert wird.

Dennoch halte ich das Instrument des „bedingungslosen Grundeinkommens“ aus folgenden Gründen für einen problematischen Ansatz:

1. Es ist sehr teuer. Ein wirklich soziales bedingungsloses Grundeinkommen, wie das von Katja Kipping vorgeschlagene, kostet ca. € 900 Mrd. Das gesamte aktuelle Sozialbudget Deutschlands liegt derzeit bei € 700 Mrd. Da alle, auch Wohlhabende, das bedingungslose Grundeinkommen erhalten, steht diesem extrem hohen finanziellen Aufwand nur ein relativ geringer sozialer Ertrag gegenüber. Man könnte mit weit geringeren Beträgen, die zielgenau für die sozial Schwächeren in unserer Gesellschaft eingesetzt werden, deutlich mehr erreichen.

2. Es konzentriert sich auf eine Untergrenze. Auch wenn das bedingungslose Grundeinkommen relativ hoch ausfallen sollte, stellt es für sich lediglich eine Untergrenze dar. Soziale Gerechtigkeit entspringt allerdings nicht nur der Anhebung des untersten Einkommensniveaus, vielmehr ist eine darüberhinausgehende möglichst gleichverteilte Einkommensstruktur wünschenswert. Manche Grundeinkommensmodelle haben über das Grundeinkommen hinausgehende Umverteilungskomponenten. Diese umzusetzen dürfte allerdings im Rahmen eines bereits eingeführten und sehr teuren Grundeinkommens deutlich schwieriger sein als in einem Sozialsystem ohne selbigem.

3. Durch das bedingungslose Grundeinkommen wird die Legitimationsbasis des Sozialstaats gefährdet. Da das bedingungslose Grundeinkommen zum einen sehr teuer, zum anderen aber leistungsunabhängig ist, besteht die Gefahr, dass eine Zustimmung für dieses Instrument sehr gering ausfallen und, da dies das teuerste Instrument des Sozialstaats wäre, ebenfalls der Sozialstaat an Legitimation verlieren könnte. Ein ausgewogenes Miteinander von leistungsunabhängigen Transfers und lesitungsabhängigen aber solidarisch organisierten Versicherungsleistungen dürften der Akzeptanz eines umfangreichen Sozialstaats deutlich förderlicher sein.

4. Unter den bisher genannten Gründen verwundert es nicht, dass auch von neoliberaler Seite Grundeinkommensmodelle existieren. Diese zeichnen sich durch ein sehr niedriges Grundeinkommen aus und sind prinzipiell abzulehnen. Es zeigt aber sehr deutlich, lässt man sich auf das Projekt Grundeinkommen ein, so wird es von dieser Seite ebenfalls Gestaltungsvorschläge geben. Die Gefahr ist sehr groß, dass es dann zu Kompromissen kommt und zum einen ein Grundeinkommen eingeführt wird, das nicht dem Niveau entspricht, das von vielen progressiven Kräften gefordert wird, umgekehrt aber andere Instrumente des Sozialstaats dafür geopfert werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Cansel Kiziltepe