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Brigitte Zypries
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Frage von Martin S. •

Frage an Brigitte Zypries von Martin S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Zypries.
Eine wesentliche Aufgabe des Parlaments (Legislative) besteht in der Kontrolle der Regierung (Exekutive). Gleichwohl ist es zu einer Selbstverständlichkeit geworden, dass Minister auch Abgeordnete sind. Die Minister kontrollieren sich selbst.
Es mag durchaus gute politikbetriebsimmanente Gründe geben, das so zu handhaben, zumindest aus Sicht der Politiker. Zugleich aber verschmelzen doch hier zwei prinzipiell getrennt zu haltende Ebenen zu einem undurchsichtiger werdenden politischen Apparat. Die beiden Bereich Parlament und Regierung werden dementsprechend in der Bevölkerung auch immer seltener differenziert wahrgenommen. Das Vertrauen vieler Bürger in die Politik wird meines Erachtens durch die beschriebene Entwicklung langfristig sehr viel stärker geschädigt als durch kurzzeitig medial skandlisierte Einzelentscheidungen oder -themen.
Nun meine Fragen:
1. Wie ist Ihre persönliche Haltung zu diesem Thema?
2. Warum sind Sie sowohl Abgeordnete als auch Ministerin?
3. Gab es für Sie schon einmal Konflikte aus der gleichzeitigen Zugehörigkeit zu Legislative und Exekutive?
4. Erhalten Minister, die zugleich Abgeordnete sind, eigentlich für beide Tätigkeiten ein Gehalt, bzw. Pensionsansprüche?

Mit freundlichen Grüßen,
Martin Sieber

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Sieber,

es ist richtig, dass die Legislative grundsätzlich gegenüber der Exekutive eine Kontrollfunktion hat. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland schreibt allerdings keine strikte Gewaltenteilung, sondern eine Gewaltenverschränkung vor, in der auf eine vollständige personelle Trennung von Exekutive und Legislative verzichtet wird. Das kann man nicht nur daran sehen, dass Bundesminister zugleich Bundestagsabgeordnete werden dürfen, sondern auch an vielen anderen Merkmalen der Staatsorganisation. Beispielsweise stimmen im Bundesrat Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierungen (Exekutive) über Gesetze ab.

Eine effektive Kontrolle wird in Deutschland nicht über eine personelle Trennung erreicht, sondern über viele andere wirksame Kontrollinstrumente. So kann der Bundestag beispielsweise durch ein konstruktives Misstrauensvotum den Bundeskanzler bzw. die Bundeskanzlerin abwählen, wodurch auch die Bundesministerinnen und -minister ihr Amt verlieren. Zudem muss das Parlament dem Haushalt zustimmen. Entscheidend aber ist, dass auch die Opposition im Bundestag institutionelle Kontrollinstrumente hat, wie zum Beispiel die Möglichkeit der Einrichtung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse.

Solche Instrumente gewährleisten meiner Ansicht nach eine deutlich bessere Kontrolle als ein striktes Verbot einer personellen Überschneidung, denn die Bundesregierung wird ja in jedem Fall von der Mehrheit des Bundestags getragen. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn Bundesminister nicht zugleich Abgeordnete wären. Abgesehen davon kann ich auch Ihre Einschätzung, dass durch die gleichzeitige Leitung eines Bundesministeriums und der Wahrnehmung eines Bundestagsmandats ein "undurchsichtiger werdender politischer Apparat" entsteht, nicht teilen. Schließlich ist die Anzahl der Bundesminister im Vergleich zur Anzahl der Bundestagsabgeordneten verschwindend gering, sodass diese niemals in der Lage wären, eine bestimmte Kontrolle des Parlaments zu vereiteln (zur Veranschaulichung: Zurzeit gibt es 612 Abgeordnete, dem Kabinett gehören 16 Bundesminister an, von denen lediglich 11 zugleich Abgeordnete sind).

Ich selbst bin Bundestagsabgeordnete geworden, weil es mich gereizt hat, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger aus meinem Wahlkreis zu vertreten. Konflikte haben sich noch nicht ergeben. Im Gegenteil - ich empfinde es als Bereicherung, neben meiner Tätigkeit als Bundesministerin seit 2005 auch Abgeordnete zu sein. Denn als Abgeordnete erfahre ich die Probleme und Sorgen der Menschen vor Ort und kann so noch besser Politik im Interesse der Bürgerinnen und Bürger machen.

Da ich im Bundestag als Ministerin nicht in einem Ausschuss mitarbeite, erhalte ich neben meiner Besoldung als Ministerin noch die Hälfte der Abgeordnetendiät.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries