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Frage von Tobias H. •

Frage an Brigitte Zypries von Tobias H. bezüglich Jugend

Sehr geehrte Fr. Ministerin Zypries,

schon in Goethes Faust wird der Straftatbestand der Kindestötung thematisiert - Gretchen bringt ihr Neugeborenes Kind um. Statistisch ist seit der Gründung der Bundesrepublik ein sehr starker Rückgang zu beobachten - im Jahr 1956 wurden über 3000 Urteile wegen Kindestötungen ausgesprochen, aber auch in den letzten Jahren gehen die Kindestötungsdelike immer weiter zurück: im Jahr 2000 wurden 293 Kinder Opfer von Tötungsdelikten, im Jahre 2006 nur noch 202. (Angaben der offiziellen Polizeistatistik des Bundesministeriums des Inneren).

Ich stimme mit Ihnen überein, daß Kinder effektiv vor Misshandlung und Armut geschützt werden müssen.

Meine Frage dazu:
- eine Langzeitstudie über 25 Jahre (Verlag: Juventa, ISBN: 3779918579) kommt zu dem Ergebnis, daß Kinder nach einer Ehescheidung Symptome aufweisen, die ähnlich gravierend sind, wie nach einer sexuellen Misshandlung im familiären Umfeld. Noch 13-15 Jahre nach der Scheidung sind die Kinder gegenüber nicht durch Scheidung beeiträchtigten Kindern statistisch hochsignifikant auffällig.

- Nach einem Gutachten des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sind Trennung und Scheidung eine wichtige Ursache für die Entstehung von Niedrigeinkommen und (Kinder)Armut in Deutschland. (siehe http://www.bmfsfj.de/Publikationen/familienbildung/5-Ansatzpunkte-fuer-familienbildung/5-3-Besondere-lebenssituationen-als-ansatzpunkte-der-familienbildung/5-3-1-probleme-und-belastungen-in-der-trennungs-und-scheidungsphase,did=53490,render=renderPrint.html)

Nachdem Sie trotz statistisch sehr stark zurückgegangener Fallzahlen das Problem der 202 Fälle (2006) von Kindestötung angegangen sind, würde mich interessieren, was Sie zum Schutze der Kinder vor Scheidungssyndromen und Scheidungsarmut zu tun gedenken?

Wie denken Sie, die seit 1977 sehr stark angestiegenen Scheidungszahlen einzudämmen? Was möchten Sie tun, um die für Kinder förderlichste Form: traditionelle Familie, wieder zu stärken?

m. f. G.
TH

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Heinz,

ich gebe Ihnen recht, dass Kinder oft stark unter einer Trennung und Scheidung ihrer Eltern leiden. Regelmäßig haben Scheidungen aber eine Vorgeschichte. Ständig zu erleben, dass die Eltern streiten oder in manchen Fällen sogar gewalttätig gegeneinander vorgehen, kann Kinder noch viel mehr belasten. In solchen Situationen können die Trennung und Scheidung der Eltern sogar das kleinere Übel für die Kinder sein.

Wie sehr ein Kind unter der Trennung seiner Eltern leidet, hängt vor allem davon ab, wie die Eltern – vor, während und nach einer Trennung – miteinander und mit dem Kind umgehen. Das lässt sich aber durch rechtliche Maßnahmen nur sehr bedingt beeinflussen. Letztlich kann der Gesetzgeber hier nur Rahmenbedingungen vorgeben, um damit das Kindeswohl zu schützen. So verpflichtet das Gesetz die Eltern, dass sie bei Meinungsverschiedenheiten versuchen müssen, sich zu einigen. Auch nach der Trennung sind die Eltern für ihr Kind verantwortlich. Ein gemeinsames Sorgerecht für das Kind bleibt grundsätzlich bestehen. Zwar gibt das Gesetz den Eltern die Möglichkeit, jeweils die alleinige Sorge zu beantragen. In über 90% der Fälle bleibt es aber bei der gemeinsamen Sorge.

Unabhängig davon hat das Kind das Recht auf Umgang mit beiden Elternteilen und die Eltern sind wiederum zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt.

Streit lässt sich trotzdem nicht immer vermeiden. Der Gesetzgeber hat im Sommer das Verfahrensrecht so reformiert, dass Entscheidungen in Umgangsverfahren künftig schneller getroffen werden.

Was schließlich die Verarmung von Kindern in Scheidungsfällen anbelangt, haben wir ebenfalls gehandelt. Seit Anfang 2008 müssen Unterhaltsansprüche von Kindern vorrangig vor allen anderen Ansprüchen erfüllt werden. Das hat zur Folge, dass der Unterhalt vor allem für minderjährige Kinder nun deutlich häufiger als bisher auch tatsächlich voll bezahlt wird.

Daran können Sie erkennen, dass der Gesetzgeber viel dafür tut, dass Kinder auch nach einer Scheidung gut leben können - den viel wichtigeren Beitrag aber, eine liebevolle Erziehung durch die Eltern, kann die Politik weder erzwingen noch ersetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries