Portrait von Brigitte Zypries
Brigitte Zypries
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Brigitte Zypries zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Christian D. •

Frage an Brigitte Zypries von Christian D. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Zypries,

ich habe eine Frage zum Thema Organspende.
In unserem Land muss sich ein potentieller Organspender auf sein Bemühen hin einen Organspendeausweis organisieren, um ein Organspender sein zu dürfen. In Österreich gibt es das Widerspruchssrecht. Hier gilt jeder Bürger als potentieller Organspender. Falls er kein Organspender sein möchte, muss er dies amtlich festlegen lassen.
Von Bekannten habe ich erfahren, dass Sie auch zur Organspende bereit sind, wenn wir auf dieses Verfahren umsteigen. Andernfalls besteht die Angst, dass sich im Krankenhaus nicht ausreichend um sie gekümmert wird und sie damit zu früh sterben.
Ist es verfassungsrechtlich möglich, unser System ebenfalls auf das Widerspruchrecht umzustellen?
Wenn das Widerspruchsrecht verfassungsrechtlich möglich ist, besteht dann die Möglichkeit, dass dies ein Gesetz werden kann?

Vielen Dank für Ihr Bemühen

Christian Decker

Portrait von Brigitte Zypries
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Decker,

der Organspendeausweis ist keine zwingende Voraussetzung dafür, dass man im Fall des Todes Organspender werden kann. Wenn kein Organspendeausweis vorliegt, darf der Arzt die nächsten Angehörigen befragen, ob ihnen bekannt ist, wie der Verstorbene sich zur Organspende geäußert hat. Hat der Verstorbene zu Lebzeiten mündlich erklärt, Organe spenden zu wollen, genügt diese mündliche Erklärung. Hat der Verstorbene sich gar nicht geäußert, können unter bestimmten Bedingungen die nächsten Angehörigen der Organentnahme zustimmen.

Obwohl die Voraussetzungen für eine Organspende damit nicht ganz so streng sind, wie Sie annehmen, gehen Experten davon aus, dass die Widerspruchslösung die Zahl der möglichen Transplantationen erhöhen könnte. Viele Menschen, die zur Zeit keine ausdrückliche Zustimmung zur Organspende erklären, hätten eigentlich nichts dagegen, im Todesfall anderen durch Organspende zu helfen. Der Schutz des Grundgesetzes endet freilich nicht mit dem Tod, die Menschenwürde des Verstorbenen bleibt unantastbar und ist weiterhin zu achten und zu schützen. Dem trägt die Widerspruchslösung durchaus Rechnung. Denn auch bei ihr kann jeder zu Lebzeiten selbst bestimmen, ob seine Organe nach dem Tod entnommen werden dürfen oder nicht. Auf dieser Grundlage sehe ich keine verfassungsrechtlichen Bedenken, die Widerspruchslösung auch in Deutschland einzuführen.

Bereits zu Lebzeiten verlangt die Widerspruchslösung allerdings, dass man der Organentnahme widersprechen muss, wenn man sie nicht wünscht. Das ist mindestens lästig. Und es ist sogar unangenehm, sofern man verständliche Vorbehalte und Ängste nicht äußern mag. Daher wird ein Stück Freiheit beschränkt, wenn der Gesetzgeber die Widerspruchslösung einführt. Hinzu kommt, dass nicht alles, was verfassungsrechtlich zulässig wäre, deswegen auch schon mehrheitsfähig sein muss. So liegt ein weiteres Problem der Widerspruchslösung sicherlich darin, dass der Widerspruch verlässlich dokumentiert werden muss. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass aus Unkenntnis Organe auch gegen den Willen der Betroffenen entnommen werden.

Daher setzt die Politik in Deutschland darauf, die Bedingungen zu verbessern, unter denen die Bereitschaft zur Organspende erklärt werden kann. In die künftige elektronische Gesundheitskarte soll ein Hinweis aufgenommen werden können, wenn ein Organspendeausweis vorliegt. Es wäre dann viel leichter als bisher, eine vorhandene Einwilligung zu erkennen. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass sich mehr Menschen als bisher für einen Organspendeausweis gewinnen lassen.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries