Frage an Brigitte Zypries von Marion Z. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Zypries,
Ab wann greift das Gesetz: Hinterherstellen- Stalking-sowie Cyberstalking?
Wer unterstützt die Opfer- oder wer ist zuständig dafür?
Wo kann ich bei der Polizei Hilfe erwarten?
Was ist wenn das Opfer mittlerweile so Krank ist, das es kaum noch Vernehmungfähig und nicht mehr Belastbar ist?
Wie viele Suizide sind Ihnen mittlerweile bekannt?
Was heißt ,das Opfer soll sich in einschlägigen Kreisen, Hilfe suchen?
Was heißt für ein Stalkingopfer, das schon mehrfach versucht hat Anzeige gegen dem Stalker zu erstatten und eine Unterlassunsklage geführt hat, Hilfe ?
Liegt den Dientstellen der Kriminalpolizei, das neue Gesetz §238 vor?
Was ist mit den Firmen, die Ihre Server zu Verfügung stellen worauf eine Person im Netz schwer Beleidigt Genötigt und Diffamiert wird und das sogar mit einem Photo das zweckentfremdet wurde?
Was heißt: Beleidigung, Verleumdung und üble Nachrede in Verbindung mit dem §238.
Ich wäre sehr Dankbar wenn diese Fragen öffentlich beantwortet würden.
Sehr geehrte Frau Zagermann,
Sie stellen sehr viele, ganz unterschiedliche Fragen zum Thema „Stalking“, deren Zusammenhänge und Hintergrund nicht ganz deutlich werden. Ich halte dieses Forum nicht für geeignet, alle angesprochenen Bereiche erschöpfend darzustellen und beschränke mich deshalb auf die Punkte, die für Sie in erster Linie von Interesse sein dürften.
Das Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen ist seit dem 31. März 2007 in Kraft. Das heißt, es ist auf alle Nachstellungsfälle anwendbar, die seit diesem Zeitpunkt begangen worden sind. Den genauen Wortlaut der neuen Strafvorschrift § 238 des Strafgesetzbuches (Nachstellung) können Sie einer Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 30. März 2007 entnehmen, die Sie unter www.bmj.de/Pressestelle abrufen können. Sie dürfen davon ausgehen, dass die Polizei, die häufig erste Anlaufstelle für die Betroffenen ist und die neue Vorschrift anwenden und umsetzen muss, den neuen Straftatbestand kennt. Ich weiß aus vielen Kontakten zwischen Polizeidienststellen und dem Bundesministerium der Justiz, dass sich die Polizei bereits vor In-Kraft-Treten des Gesetzes eingehend mit der Vorschrift befasst hat.
Sie können aus der Strafvorschrift ersehen, dass etwa von § 238 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches auch Handlungen erfasst sind, die unter dem Schlagwort „Cyberstalking“ diskutiert werden. Beim Cyberstalking geht es im Kern um Nachstellungshandlungen mit vernetzten Computern, etwa durch Übermittlung von E-Mails oder durch Nutzung des Internets. Die Erscheinungsformen des Cyberstalking sind zu vielfältig, als dass ich sie an dieser Stelle eingehend erörtern könnte. Speziell zu den von Ihnen angesprochenen Fragen – etwa der Diffamierung im Internet – gibt es inzwischen eine private Initiative (www.Internetvictims.de). Sie bietet Betroffenen und Interessierten Informationen an, etwa zu Präventivmaßnahmen, Gesetzen, Gerichtsurteilen und Fachbegriffen.
Sie fragen auch nach der Verantwortlichkeit von Internet-Diensteanbietern. Sie unterliegen grundsätzlich den allgemeinen rechtlichen Verpflichtungen, d. h. sie müssen die geltenden strafrechtlichen Verbote beachten und können im Falle von Rechtsgutverletzungen zum Schadensersatz verpflichtet sein oder auf Unterlassung, also auf Entfernung oder Sperrung der rechtswidrigen Inhalte, in Anspruch genommen werden. Jedoch ist ihre Verantwortlichkeit nach dem Grad ihrer „Herrschaft“ über die Information abgestuft.
Für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, sind die Diensteanbieter nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich, § 7 Abs. 1 des Telemediengesetzes. Das bedeutet, dass sie z. B. zur Entfernung oder Sperrung von Inhalten verpflichtet sind, die Persönlichkeitsrechte verletzen. Schließlich können sie für ihre eigenen Inhalte, wenn diese einen Straftatbestand erfüllen, auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, richtet sich zwar grundsätzlich auch nach den allgemeinen Gesetzen; sie sind aber nach dem Telemediengesetz insoweit privilegiert, als sie nicht verantwortlich sind, wenn sie z. B. keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung haben und ihnen auch keine Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung offensichtlich wird. Ein Diensteanbieter muss also, wenn er erfährt, dass die von ihm gespeicherte Information rechtswidrig ist, z. B. weil sie Persönlichkeitsrechte verletzt, diese unverzüglich entfernen oder den Zugang zu ihr sperren.
Die Beantwortung Ihrer Frage, wo Opfer Hilfe suchen können und wer sie unterstützen kann, hängt davon ab, welche Hilfe konkret benötigt wird. Wenn ein Opfer Strafanzeige erstattet, wird es – falls eine Straftat vorliegt – Unterstützung durch die Strafverfolgungsbehörden erhalten. Opfer können sich grundsätzlich an jede Polizeidienststelle wenden. Dort können sie auch in Erfahrung bringen, ob die jeweilige Landespolizei über einen speziellen Ansprechpartner für Stalking-Opfer verfügt und an welche weiteren Stellen sie sich wenden können. Will das Opfer sich zunächst über seine rechtlichen Möglichkeiten im konkreten Fall beraten lassen, kann es sich an eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt wenden, die oder der sie auch bei der Durchsetzung seiner Rechte begleiten kann. Unterstützung gewähren auch verschiedene Opferhilfeeinrichtungen; so befasst sich beispielsweise der Weiße Ring (www.weisser-ring.de) eingehend mit dem Stalking. Darüber hinaus gibt es regionale Opferhilfeangebote, Hilfs- und Informationsangebote im Internet und vielfältige Literatur zu dem Thema.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Brigitte Zypries