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Frage von Heiko A. •

Frage an Brigitte Zypries von Heiko A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Zypries,

ich möchte noch einmal kurz auf das Urteil des LG Kölns zur religiös motivierten Beschneidung von Babys und Kleinkindern und die momentan um das Thema geführte Diskussion eingehen und habe nur zwei relativ simple Fragen dazu:
1) Wie wollen Sie den Menschen (und speziell den Eltern) in Deutschland erklären, das eine im Vergleich nahezu harmlose Ohrfeige für Kinder in unserem Land geächtet wird, während die physisch und psychisch weitaus folgenschwerere Beschneidung aus religiösen Gründen erlaubt sein soll?
2) Wie wollen Sie sicherstellen, das durch eine Legalisierung der religiös motivierten Beschneidung den jüdischen und islamischen Glaubensgemeinschaften keine Sonderstellung gegenüber dem Christentum oder anderen Glaubensgemeinschaften eingeräumt wird?

Mit freundlichen Grüßen

H. Adams

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Adams,

Gewalt in der Erziehung ist nicht zu rechtfertigen, da hinter dem Akt der Gewalt eine ganz andere Intension steht als bei der Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen. Die Beschneidung geschieht, um den Bund mit Gott zu begründen und den Jungen Teil der Glaubensgemeinschaft werden zu lassen. Sie wird durch die Religionsfreiheit der Eltern gerechtfertigt. Danach hat jeder Mensch das Recht, nach seiner Religion zu leben, Sie umfasst i.V.m. Art. 6 II GG, der den Eltern die Pflege und Erziehung ihrer Kinder als natürliches Recht garantiert, auch das Recht zur Kindeserziehung in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht. Es ist Sache der Eltern, ihren Kindern diejenigen Überzeugungen in Glaubens- und Weltanschauungsfragen zu vermitteln, die sie für richtig halten. Durch ein Verbot der Beschneidung würde den Eltern dieses Recht genommen. Daher kann das Recht auf körperliche Unversehrtheit ausnahmsweise hinter den Rechten der Eltern zurücktreten, um so dem Grundrecht der Religionsfreiheit gerecht zu werden.

Gewalt als Erziehungsmittel beinhaltet, auch wenn sie nicht die Intensität der Misshandlung erreicht, immer Erniedrigung und Demütigung und hat eben diese auch zum Ziel. Die Ächtung der Erziehung durch Körperstrafen ist in erster Linie in der Verwerflichkeit der Handlung und nicht im Ausmaß der Gewalt begründet. Eine Ohrfeige kann daher nur harmlos sein, wenn sie ein sogenanntes „Handausrutschen“ darstellt. Die gewaltfreie Erziehung wurde vom Gesetzgeber in § 1631 Absatz 2 BGB als positives Recht des Kindes ausgestaltet:

„Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“

Zu ihrer zweiten Frage: Durch die Legalisierung der religiös bedingten Beschneidung soll keiner Religion gegenüber einer anderen eine Sonderstellung eingeräumt werden. Es soll sichergestellt sein, dass Religionsausübung, solange sie sich im Rahmen der Gesetze bewegt, in Deutschland möglich ist. Die Folge ist ja nicht, dass einer Religion etwas erlaubt wird was anderen Religionen nicht erlaubt ist. Auch wird die christliche Religionsausübung durch die Beschneidung nicht eingeschränkt. Von Sonderstellung kann also keine Rede sein.

Mit freundlichen Grüßen

Brigitte Zypries