Frage an Brigitte Zypries von Jonathan O. bezüglich Kultur
Sehr geehrte Frau Zypries,
eben bin ich auf einen Beitrag des NDR zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag gestoßen, infolge dessen riesige Mengen an wichtigem, teilweise auch wieder aktuellen Informationsmaterial "depubliziert" werden mussten. Warum?
Ist die Lobby der privaten Medien so stark, dass sie das Grundrecht auf Information und die Grundidee des Internets ad absurdum führen kann und die Politik das auch noch duldet? Gerade die öffentlich-rechtlichen Sender, die schließlich durch den Steuer- und Gebührenzahler finanziert werden, haben in dieser Hinsicht doch eine besonders bedeutende Funktion.
In dem Beitrag wurde von den Verlagen auch kritisiert, dass Informationssendungen wie beispielsweise die "Tagesschau" nach der Ausstrahlung online verfügbar sind. Dieser Service ist für mich (und ich denke für viele andere Studenten oder Berufstätige auch) aber sehr hilfreich. Schließlich können wir unsere Vorlesungen oder Arbeitszeiten nicht nach Belieben so legen, dass wir rechtzeitig vor dem Fernseher sitzen. Trotzdem will ich die Möglichkeit haben, mich aktuell zu informieren und bei Bedarf auch mal eine ältere Thematik noch einmal aufzuarbeiten. Besonders letzteres scheint mir durch das Gesetz eigentlich unmöglich gemacht. Wo kommen wir denn hin, wenn Information nur noch gegen Entgelt zu haben ist? Sie ist doch auch die Grundlage für politische Partizipation.
Sehen Sie als Mitglied des Medienausschusses zukünftig eine Chance, diesen Vertrag zu revidieren?
Ich freue mich auf Ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüßen, Jonathan Oppen
Sehr geehrter Herr Oppen,
um es kurz zu machen: Als Mitglied des Deutschen Bundestages habe ich keinerlei Kompetenz, Änderungsvorschläge für die Rundfunkverträge zu machen – Staatsverträge fallen in die Zuständigkeit der Bundesländer.
Gerne möchte ich Ihnen aber einige erklärende Informationen zum Hintergrund des geltenden Staatsvertrags und der von Ihnen kritisierten Regelung geben:
Vielleicht haben Sie in diesem Zusammenhang die öffentliche Diskussion im Ohr, die Anlass für die genannten Änderungen im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag war: Im März 2005 hatte die damalige Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes ein Wettbewerbsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Von Seiten der EU-Kommissarin wurden die Rundfunkgebühren als staatliche Beihilfen eingestuft. Nach geltendem EU-Recht darf kein Mitgliedsstaat den Wettbewerbs verzerren oder der Staat private Anbieter aus einem Aufgabenfeld verdrängen, das ebenso gut durch private Anbieter erfüllt werden könnte. Kritisiert wurde insbesondere, dass das Aufgabenfeld der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Bezug auf die Telemedien durch den seinerzeit geltenden Rundfunkstaatsvertrag nicht klar genug definiert werde und dass keine klare und transparente Trennung erfolge zwischen demjenigen Teil der Gebühren, der für Ausbau und Unterhaltung der Telemedien vorgesehen war und den Gebührenteilen für die weiteren Aufgaben (Fernsehen, Rundfunk, etc.).
Die Länder, in deren Kompetenzbereich das Aushandeln des Rundfunkstaatsvertrages fällt, haben daraufhin einen Kompromiss zur Änderung des Staatsvertrags ausgehandelt. Die Aufgabenfelder werden klarer definiert, eine transparente Trennung der Gebühren ist erfolg. Auch die Zeitdauer und Modalitäten nach denen ein Beitrag wie beispielsweise die Tagesschau im Internet verbleiben darf, wurden neu geregelt.
All dies versucht der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu berücksichtigen, um eine Europarechtswidrigkeit des Rundfunkstaatsvertrages auszuschließen. Gleichzeitig wurde versucht, das Anbieten von Telemedien für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten möglichst attraktiv zu halten. Daher wurde das Aufgabenfeld der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in §11d-f Rundfunkstaatsvertrag (RStV) neu definiert. Außerdem wurde der sog. 3 Stufen-Test eingeführt, als Konkretisierung zu der Privilegierungsregelung des EU-Rechts und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Telemediale Inhalte, die erfolgreich dieses Verfahren durchlaufen haben, dürfen gem. §11d II Nr.4 RStV zeitlich unbegrenzt im Internet angeboten werden. Dieses Verfahren ist jedoch sowohl juristisch als auch zeitlich aufwendig. Daher normiert §11d II Nr.1-3 RStV, dass bestimmte Inhalte zwischen 24 Stunden und 7 Tagen ohne dieses Verfahren im Internet angeboten werden dürfen. Das Verfahren des 3-Stufen-Tests wird sich sicherlich eher in Bezug auf „langlebige“ Beiträge, wie beispielsweise Serien rentieren, während Beiträge wie die Tagesschau, die ja jeweils von der Aktualität ihrer Informationen lebt, nur bedingt die Zielgruppe dieses 3-Stufen-Tests darstellt. Aus diesem Grund wird die Tagesschau im telemedialen Angebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur 7 Tage vorgehalten.
Weitere Informationen zu dem genannten 3-Stufen-test finden Sie z.B. hier:
http://www.ard.de/intern/dreistufentest/drreistufentest/-/id=1086834/nid=1086834/did=1094290/14nacm7/index.html
oder hier:
http://www.ard.de/intern/gremienvorsitzendenkonferenz-der-ard/dreistufentest/verfahrenserlaeuterung/-/id=1026832/1i5uutc/index.html
Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte die Landesregierung in Baden-Württemberg.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries