Frage an Brigitte Zypries von Michael S. bezüglich Recht
Sehr geehrte Frau Zypries,
im Bezug auf das Gesetzesvorhaben über Internetsperren habe ich folgende Fragen.
1. Wie ist eine Ausnahmeregelung für kleine Internetprovider, Schulen, Behörden und andere öffentliche Einrichtungen in dieser Angelegenheit mit dem Gleichheitsgrundsatz des GG zu vereinbaren?
2. Ist das Geheimhalten der Liste der gesperrten Seiten nicht in gewisser Weise mit der geheimen Liste der Verbotenen Gegenstände in Flugzeugen vergleichbar, wie sie vom EuGH (Az. C-345/06 vom 10.3.2009) für unrechtmässig erklärt wurde?
Sehr geehrter Herr Schlenker,
Anbieter , deren Netz weniger als 10.000 Teilnehmer umfasst , haben in der Regel nicht die technischen Infrastrukturen, die für eine Einbeziehung in das Verfahren erforderlich sind. Außerdem soll der Kreis der Anbieter, denen die Liste der zu sperrenden Seiten übermittelt wird, überschaubar bleiben. Das sind Sachgründe, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.
Bei der Ausnahme für Schulen, Behörden und andere öffentliche Einrichtungen andererseits gelten ähnliche Gründe. Selbstverständlich bedeutet dies nicht, dass Kinderpornografie dort geduldet würde. Im Gegenteil sind die öffentlichen Einrichtungen gehalten, von sich aus Maßnahmen zu ergreifen, um die Kinderpornografie in ihren Netzen zu unterbinden . Dies tuen sie auch heute schon, in der Regel durch den Einsatz weitergehender Filter .
Auf den ersten Blick mag es eine gewisse Ähnlichkeit geben zwischen der geheimen Liste der verbotenen Gegenstände in Flugzeugen und der gegenüber der Öffentlichkeit geheim zu haltenden Liste der zu sperrenden Internetseiten. Die Wirkungen der beiden Listen sind jedoch völlig unterschiedlich: Das Mitführen von Gegenständen, die auf der Liste für verbotene Gegenstände genannt sind, auf Flügen in der EU oder in die EU ist dem Fluggast verboten. Denn die Liste ist Teil einer EU-Verordnung, die rechtlich unmittelbar auch gegenüber jedem Fluggast wirkt. Da die Liste allerdings geheim eingestuft ist, weiß der Fluggast nicht, ob er Verbotenes tut, wenn er diese Gegenstände mit sich führt. Dies hat der EuGH in dem von Ihnen zitierten Urteil kritisiert.
Die Liste der zu sperrenden Internetseiten beinhaltet dagegen keine Verbotsregelung. Sie wirkt auch nicht unmittelbar gegenüber den Internetnutzern. Unmittelbare Außenwirkung hat sie nur gegenüber den Anbietern von Internetzugangsdiensten, denen die Liste vom Bundeskriminalamt zwecks Sperrung der Seiten bekannt gegeben wird. Die Liste begründet auch keine Strafbarkeit, sondern enthält - vereinfacht gesagt - eine Zusammenstellung von Internetadressen, unter denen kinderpornographische Darstellung verbreitet und dadurch Straftaten nach § 184b des Strafgesetzbuchs begangen bzw. ermöglicht werden. Im Ergebnis dient die Liste somit dazu, die Begehung von Straftaten zu verhindern, zumindest aber zu erschweren, ohne dass die Liste unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber den Internetnutzern erzeugt. Daher können die beiden Listen wegen ihrer Wirkungen auch nicht verglichen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Zypries