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Brigitte Pothmer
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Frage von Reinhard K. •

Frage an Brigitte Pothmer von Reinhard K. bezüglich Wirtschaft

Ein großer Teil der Steuereinnahmen (40 %?) werden als Zinsen für die Schulden von Bund, Ländern und Kommunen ausgegeben. Trotzdem werden immer wieder zur Finanzierung der Haushalte von Bund Ländern und Kommunen Kredite; ­ „Neuverschuldungen" - in Milliardenhöhe aufgenommen.
1. „Was wollen Sie als Abgeordneter unternehmen, damit dieser Teufelskreis der ständigen Neuverschuldungen und steigenden Staatsverschuldung endlich beendet wird?
a). Mittelfristig?:
b). Langfristig?
2. Was verstehen Sie unter dem Begriff „Flexibilität des Arbeitsmarktes“ in Zusammenhang mit
a). Arbeitslosigkeit ?:
b). Schaffung neuer Arbeitsplätze?
3. Für welche Markwirtschaft treten Sie ein?
a). soziale Marktwirtschaft:
b). freie Marktwirtschaft:
c). Worin unterscheidet sich nach Ihrer Ansicht die soziale Markwirtschaft von der freien Marktwirtschaft?:
Mit freundlichem Grüß
R.Koch

Portrait von Brigitte Pothmer
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Koch,

für Ihr Interesse an meinen finanz- und wirtschaftlichen Standpunkten bedanke ich mich. Ihre Fragen hierzu beantworte ich gerne:

Zu 1a):
Die Finanzausstattung des Staates ist sowohl von der Einnahmen- wie von der Ausgabenseite abhängig. Als Grüne werde ich mich dafür einsetzen, dass der Neuverschuldung des Staates auf beiden Seiten entgegengewirkt wird. Auf der Ausgabenseite müssen die Staatsaufgaben weiterhin einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. Zudem müssen staatliche Subventionen auf ihre langfristigen Wirkungen hin untersucht und auf das Notwendigste beschränkt werden. Wir wollen langfristig kontraproduktiv wirkende Subventionen abschaffen. Hierzu zählen Subventionen des Kohlebergbaus ebenso wie die Entfernungspauschale oder die Eigenheimzulage. Auch das Ehegattensplitting stellt eine nicht mehr zukunftsfähige Subventionierung dar, denn sie begünstigt eine einzelne Lebensform und verfestigt das überholte Modell der Hausfrauenehe. Daher wollen wir das Ehegattensplitting deutlich abschmelzen. Durch den Abbau von Subventionen und nicht mehr zeitgemäßen Steuervergünstigungen werden wir finanzielle Freiräume zur Senkung der Lohnnebenkosten im unteren Einkommensbereich, für Bildung und Betreuung, für die Wahrnehmung sozialer Verantwortung und letztlich auch zur Haushaltskonsolidierung schaffen. Auf der Einnahmenseite muss der Staat diejenigen stärker in die Verantwortung nehmen, die überdurchschnittlich hohe Einkommen erzielen. Darüber hinaus müssen steuerliche Schlupflöcher geschlossen und Möglichkeiten für Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit durch verstärkte Kontrollen und gesetzliche Vorgaben weiter erschwert werden.

Zu 2):
In Hinblick auf das erschreckend hohe Ausmaß der Arbeitslosigkeit in unserem Land, muss heute meiner Ansicht nach über flexiblere Regelungen der Arbeitszeitgestaltung verstärkt nachgedacht werden. Millionen arbeitslosen Menschen in unserer Gesellschaft und einer Vielzahl von Menschen in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen stehen einer große Zahl von Beschäftigten gegenüber, die chronisch überlastet sind. Traditionell verfestigte Formen der Arbeitszeitgestaltung werden daher weder den Bedürfnissen der Wirtschaft noch denen der Beschäftigten gerecht. Ich spreche mich daher für eine neue Arbeitszeitpolitik aus, die beide Interessen zusammenbringt. Arbeitszeitkonten, Familien-Teilzeit, Job-Rotation und Job-Sharing sind hierzu vielversprechende Instrumente flexibler Arbeitszeitgestaltung. Mit dem Konzept der "Flexicurity" haben Bündnis 90/Die Grünen frühzeitig für ein ausgewogenes Verhältnis von Flexibilität und sozialer Sicherheit geworben. 2001 haben wir einen Anspruch auf Teilzeit eingeführt. Mit der Einführung der Midijobs haben wir die Teilzeitmauer eingerissen, die Beschäftigung in arbeitsintensiven Dienstleistungen erleichtert und gleichzeitig für die soziale Sicherung der Beschäftigten gesorgt. Diese Entlastung von Sozialabgaben war ein wichtiger erster Schritt um einfache Arbeit in Deutschland wieder lohnend zu machen.

Zu 3abc):
Wir Grüne treten für die ökologische und soziale Marktwirtschaft ein. Die Gesellschaft definiert über den Staat einen politischen Rahmen, damit wirtschaftliche, ökologische und soziale Ziele zugleich verwirklicht werden können. Innerhalb dieses politisch definierten Rahmens kann der Markt die jeweils effizientesten Ergebnisse bringen. Bei den Novellen des Energiewirtschafts- und des Telekommunikationsgesetzes haben wir Grüne daher für faire Wettbewerbsbedingungen gesorgt. Meinem Verständnis nach unterscheidet sich die soziale und ökologische Marktwirtschaft von der freien in dem Maße, indem sie dem Markt einen ökologischen und sozialen Rahmen gibt. Unsere Verfassung weist sowohl dem Eigentum eine soziale Verpflichtung zu, so wie sie sich auch zur sozialen Marktwirtschaft bekennt. Die freie Marktwirtschaft steht diesem Konzept als ausschließlich auf die freien Kräfte des Marktes vertrauendes Modell unversöhnlich gegenüber. Als Grüne bekenne ich mich zu unserer Verfassung und der in ihr enthaltenen Verpflichtung zu sozialer Gerechtigkeit. Wir wollen die ökologische und soziale Marktwirtschaft.

Ich hoffe Ihre Anfrage hiermit ausreichend beantwortet zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Brigitte Pothmer