Frage an Brigitte Pothmer von Anke N. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Pothmer,
zum Thema Mindestlohn habe ich einen Vorschlag:
Würde es nicht Sinn machen, mit jeder Branche jeweils einen wirtschaftlich tragbaren Mindestlohn auszuhandeln und diesen dann über das Arbeits- oder das Finanzamt aufzustocken?
So wäre ein Mindestlohn wirtschaftlich vertretbar und in angemessenerer Höhe umsetzbar. Der Mindestlohn könnte dann 10 € betragen, ohne dass die Wirtschaft darunter leiden müsste (8 € wären zwar besser als jetzt, aber auch nicht wirklich schön).
Der Verwaltungsaufwand wäre geringer als die jetzige Bedarfsprüfung der Arbeitnehmer. Und die erarbeitete Leistung würde angemessen anerkannt werden.
Die Finanzierung wäre zum Teil abgedeckt durch die ALG II Beträge, die zur Zeit ausgezahlt werden. Die weitere Finanzierung könnte durch eine Einführung von Abschreibungspauschalen erreicht werden. Zum Beispiel bei Firmenwagen (PKW) oder auch bei Spitzenlöhnen. Oder falls es das schon gibt, eine Senkung derselben.
Was halten Sie von dieser Idee?
Mit freundlichen Grüßen,
Anke Niebuhr
Sehr geehrte Frau Niebuhr,
vielen Dank für Ihren interessanten Vorschlag zum Thema Mindestlohn. Ich finde es wirklich ausgesprochen erfreulich, wenn Bürgerinnen und Bürger selbst mit Ideen in die politische Debatte einsteigen.
Um Armutslöhne zu stoppen, ohne Jobs zu gefährden, müssen die unterschiedlichen Voraussetzungen in den Branchen und Regionen berücksichtigt werden. Unser Mindestlohnmodell sieht daher vor: Dort wo die Gewerkschaften stark sind, verhandeln sie mit den Arbeitgebern Mindestlöhne, die dann für verbindlich erklärt werden. Dort wo die Tarifbindung schwach ist, erfolgt die Einführung von Mindestlöhnen über eine Mindestlohnkommission, ähnlich wie in Großbritannien.
Ihren Vorschlag habe ich so verstanden, dass die branchenspezifisch ausgehandelten Mindestlöhne -- soweit sie z. B. unter 10 Euro liegen - für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgestockt werden sollen. Ich befürchte, dass bei einer solchen Regelung in nahezu allen Branchen sehr niedrige Mindestlöhne ausgehandelt würden, denn die meisten Arbeitgeber würden versuchen, sich "arm zu rechnen". Schon jetzt haben wir in einigen Branchen das Problem, dass wirtschaftlicher Wettbewerb durch Lohndumping ausgetragen wird und die Steuerzahler am Ende für die Existenzsicherung der davon betroffenen Arbeitnehmer einspringen müssen. Letztlich bedeutet das nichts anderes als die Subventionierung von Unternehmensgewinnen.
Wir haben deshalb folgenden Vorschlag unterbreitet, um kleine Einkommen zusätzlich zu entlasten: Die Sozialversicherungsbeiträge sollen - ähnlich wie bei der Steuer - progressiv gestaltet werden. Erst bei einem Bruttoverdienst oberhalb von 2.000 Euro würde der volle Beitragssatz fällig. Bei Geringverdienern würde mehr vom Bruttolohn im Portmonee ankommen und die Arbeitgeber würden bei den Lohnnebenkosten entlastet, so dass mehr Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Auch wir schlagen in unserem Modell zur Entlastung der Geringverdiener eine Steuerfinanzierung vor.
Alles in Allem: Ich freue mich über Ihren konstruktiven Lösungsvorschlag, ich teile Ihre Auffassung zu branchenspezifischen Mindestlohnregelungen, ich bin aber skeptisch gegenüber einer allgemeinen bedarfsunabhängigen staatlichen Aufstockung von Löhnen.
Mit freundlichem Gruß
Brigitte Pothmer