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Brigitte Pothmer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Henner L. •

Frage an Brigitte Pothmer von Henner L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Die Hildesheimer Allgemeine berichtet am 16.04.2008 (Seite 2, unten rechts):

ZUR PERSON

Roman Herzog, Altbundespräsident, hat sich nach seinen Warnungen
vor einer „Rentnerdemokratie“ erneut die Politiker vorgeknöpft und sie
mitverantwortlich gemacht für die Reformmüdigkeit der Bürger.

In der „Bild“-Zeitung vom Dienstag warf er ihnen mangelnde
Führungskraft vor. „Wenn ich mir das aktuelle Personal anschaue, weiß ich nicht,
ob ich lachen oder weinen soll“, sagte der 74-Jährige. Er beklagte, „dass sich das
Volk nicht bewegt“. Zwar gebe es eine gewisse Bereitschaft zu Veränderungen.
„Aber es bräuchte politische Führung, echtes Charisma, um sie zu mobilisieren“,
mahnte Herzog an. Die Reformpolitik der letzten zehn Jahre sei „dilettantisch
durchgeführt“. Auf die Frage, warum wohl die große Mehrheit der Bevölkerung
Mindestlöhne befürworte, antwortete Herzog: „Es gibt auch ein Grundrecht auf
Dummheit.“ ap/p

Sehr geehrte Frau Pothmer,

Roman Herzog berichtet auch über Sie!
Mich als Wähler interessiert Ihr Statement dazu.

Herzliche Grüße

Ihr Henner Lenfers

Portrait von Brigitte Pothmer
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lenfers,

vielen Dank, dass Sie mich um ein Statement zu dem Pressebericht über die Aussagen von Roman Herzog gebeten haben. Zunächst möchte ich vorausschicken, dass ich insbesondere die Aussagen des Altbundespräsidenten bezüglich der Auffassung der Mehrheit der Bevölkerung zu Mindestlöhnen mehr als befremdlich finde.

Nun aber zum Vorwurf der dilettantischen Reformpolitik. Grundsätzlich halte ich Reformen in einer sich wandelnden Welt für unabdingbar. Reformpolitik muss gerecht, zielgerichtet und transparent sein. Die Reformen, die unter Rot-Grün beschlossen wurden, waren selbstverständlich nicht "Eins zu Eins" grüne Politik. Schon in der Koalition mussten Kompromisse mit der SPD gemacht werden, hinzu kam die Beteiligung der Union über die Länder. Das hat sicherlich nicht sehr zur Transparenz des Verfahrens beigetragen. Im Ergebnis haben insbesondere die Arbeitsmarktreformen Licht- und Schattenseiten. Ich finde nach wie vor, dass es ein großer Fortschritt ist, dass ehemalige Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger jetzt auch von den Vermittlungsleistungen der Jobcenter profitieren können. Problematisch ist sicherlich nach wie vor insbesondere die Frage der Höhe der materiellen Leistungen im Rahmen der Grundsicherung.

Reformen gehören immer wieder auf den Prüfstand, brauchen aber zunächst auch ausreichend Zeit, um wirksam zu werden. Ein populistisches Zurückdrehen, wie es die große Koalition beispielsweise bei der Verlängerung des Arbeitslosengeldes für Ältere macht, ist falsch. Gerade in jüngster Zeit zeigt sich, dass Ältere wieder bessere Chancen am Arbeitsmarkt haben, auch die inflationäre Ausweitung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente, wie beispielsweise der zahlreichen wirkungslosen Kombilohnmodelle, lässt keine klare Linie erkennen und hat mit Reformpolitik nichts zu tun. Auf wirklich notwendige strukturell wirkende Reformen, dazu gehört auch die Einführung von Mindestlöhnen, kann sich die große Koalition nicht verständigen. Die von einer großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung befürworteten Mindestlöhne sind bei unseren europäischen Nachbarn lange Gesetz. Das Beispiel Großbritannien zeigt eindeutig, dass Mindestlöhne und eine positive Arbeitsplatzentwicklung kein Widerspruch sind. Hier wäre Führungsstärke innerhalb der Regierung gefragt, um auch endlich in Deutschland Lohnuntergrenzen einzuführen. In der Bevölkerung gäbe es für derartige Veränderungen auf jeden Fall eine große Bereitschaft.

Mit freundlichem Gruß

Brigitte Pothmer