Frage an Brigitte Pothmer von Nicole B. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Pothmer,
ein Problem ist aus meiner Sicht,dass das einzelne Unternehmen von sich aus immer Versuchen wird die Kosten der Schwangerschaft zu vermeiden, abzuwälzen etc.( ggf.vorzeitiger Ausfall der Mitarbeiterin, zumindest temporäre Mehrbelastung von Kollegen, Ersatzsuche, Einarbeitung der Vertretung, Einarbeitung der Rückkehrerin...)
Das Einzelunternehmen ist gewinnorientiert und hat grundsätzlich keinen Anreiz
Kosten für die Gesellschaft (Schwangerschaften/Kinder) zu übernehmen.
Im Wettbewerb versucht es immer das der Wettbewerber diese trägt.
Eigenes Fallbeisp.:
Ich habe VWL/BWL studiert, bin 7 Jahre erfolgreich immer wieder aufgestiegen und war schließlich bei einem amerikanischen Konzern als Innendienstleitung. Leider war der Umsatz nicht wie erwartet jedenfalls wurden einige betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen zu denen auch ich zählte (vielleicht war auch bereits hier das Thema potentielle Schwangerschaft im Spiel?).
Nun heißt es mit 33 Jahren aus der Arbeitslosigkeit wieder neu sich ein-und hocharbeiten. Gut so spielt das Leben aber der Punkt weiblich macht es auf Grund des beschriebenen Anreizproblems ungemein schwerer.
Die Wahrscheinlichkeit auf mehr als ein Kind ist (zumindest wenn man es sich nicht leisten kann auf das Elterngeld zu verzichten) mit einem Schlag rasant gesunken.
Und dann, wenn mir ein Arbeitgeber eine Einstiegsmöglichkeit gibt, ist es dann fair direkt nach ein oder zwei Jahren wenn man sich gerade rechnet schon wieder den temporären Ausstieg durch Schwangerschaft anzukündigen? Ist das dem Arbeitgeber und den Kollegen gegenüber verantwortungsvolles Handeln?
Der Unternehmer gab die Chance und er ist am Ende der Idiot!?
Das wird er sich bei der nächsten weiblichen Einstellung im gebärfähigen Alter aber besser überlegen - und dann betrifft es vielleicht Ihre Bewerbung ;-)
Wie sehen Sie das Problem? Sehen Sie eine Möglichkeit die Kosten noch besser über alle Unternehmen zu verteilen? Ausgleichszahlungen?
Sehr geehrte Frau Böhnisch,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich Ihnen gerne antworten möchte.
Sie haben Recht, wenn Sie schreiben, dass für Frauen eine mögliche Schwangerschaft noch immer ein Handicap bei der Suche nach einer neuen Stelle sein kann. Auch aus meiner Sicht kalkulieren Arbeitgeber diese Frage bei ihrer Entscheidung für oder gegen eine Bewerberin mit ein. Ich persönlich halte das für ausgesprochen kurzsichtig. Zum einen bleiben so die Potenziale vieler gut ausgebildeter und ehrgeiziger junger Frauen (und dazu scheinen Sie zu gehören) ungenutzt, zum anderen sind damit negative gesamtgesellschaftliche Auswirkungen verbunden, die am Ende auch die Betriebe finanziell belasten können (zum Beispiel durch die wegen der demografischen Entwicklung steigenden Kosten bei den Sozialversicherungen).
Meine Hoffnung besteht darin, dass immer mehr Arbeitgeber realisieren, dass Sie nicht mehr so fahrlässig mit den vorhandenen Fachkräftepotenzialen umgehen können, wenn sie ihren Personalbedarf auf Dauer sichern wollen. Des Weiteren müssen sie sich vor Augen halten, dass sie nicht nur potentielle Mütter ablehnen, sondern stattdessen vermutlich potentielle Väter einstellen. Aber auch junge Väter wollen heute gleichberechtigt für Ihre Kinder sorgen. Das bedeutet, dass inzwischen Väter ebenfalls in Elternzeit gehen und ihre Arbeitszeit reduzieren oder einspringen, wenn ihr Kind erkrankt oder die Schule ausfällt. Zukunftsorientierte Betriebe wissen das und versuchen, Arrangements zu finden, die sowohl den betrieblichen als auch den familiären Interessen entgegenkommen. Alles weist darauf hin, dass diese vermeintlich "weichen" Themen immer wichtiger bei der Fachkräfterekrutierung werden.
Da bereits Ausgleichsverfahren für Betriebe wegen mutterschutzbedingter Aufwendungen existieren, sehe ich hier zurzeit keinen Handlungsbedarf. Den sehe ich eher bei der Entwicklung von Unternehmenskulturen, die auch die Bedürfnisse der Beschäftigten berücksichtigen.
Ich wünsche Ihnen aufgeschlossene Arbeitgeber in spe und viel Erfolg bei Ihrer Arbeitssuche.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Pothmer