Frage an Brigitte Pothmer von Uwe N. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Pothmer,
wie stehen Sie zu den derzeit laufenden geheimen Verhandlungen über das Freihandelsabkommen "TISA" ?
Sehr geehrter Herr Niemeyer,
haben Sie vielen Dank für Ihre Mail, in der Sie nach meiner Position zum TiSA-Abkommen fragen. Die Antwort auf diese Frage ist zunächst einmal nur ganz grundsätzlich zu geben, da das Abkommen - wie Sie richtig schreiben - geheim verhandelt wird und bislang nur Bruchstücke des Vertragsentwurfs über Informationslecks bekannt geworden sind. Grundsätzlich lehne ich es ab, dass Entscheidungen, die für alle Bürgerinnen und Bürger gravierende Folgen nach sich ziehen können, in intransparenten Hinterzimmerrunden ausgehandelt werden. Eine solche Form des Demokratie-Outsourcing ist nicht akzeptabel - egal ob es um die Freihandelsabkommen TTIP, CETA oder das von Ihnen genannte TiSA geht. Begrüßenswert finde ich in diesem Zusammenhang das Engagement hunderttausender Bürgerinnen und Bürger in Europa gegen Umwelt- und Sozialdumping, undemokratische Konzernklagerechte und die intransparenten Verhandlungen bei TTIP und CETA. Es bleibt zu hoffen, dass auch das bislang noch weniger thematisierte TiSA durch solch öffentlichen Druck stärker auf die politische Agenda kommt.
Wie gesagt, durch den geheimen Charakter der Verhandlungen müssen inhaltliche Aussagen zu TiSA noch weitgehend im Konjunktiv stehen. Aber die Mitte des Jahres 2014 von Wikileaks veröffentlichten Informationen zum Verhandlungsstand für den Bereich der Finanzmärkte lassen nichts Gutes erwarten. Das Trade in Services Agreement soll eine Sammlung von Vereinbarungen in Form eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen der Europäischen Union, den USA und zahlreichen weiteren Staaten werden. Ziel ist die umfassende Beseitigung von vermeintlichen Handelshemmnissen im Dienstleistungssektor, darunter auch bei öffentlichen Diensten. Demnach soll etwa Finanzkonzernen ermöglicht werden, ihre Kundendaten frei zwischen der EU und den USA zu transferieren. Dies käme einem Aushebeln des europäischen Datenschutzes gleich, da die Daten europäischer Bürgerinnen und Bürger nur noch in dem Rahmen zu schützen wären, den die US-Seite erlaubt. Hohe Standards beim Datenschutz müssen aber politisch geschützt und nicht verschleudert werden!
Im Bereich der Finanzmärkte könnte TiSA darüber hinaus dazu führen, dass durch sogenannte „Stillstands-“ und „Sperrklinkenklauseln“ strengere Regeln zur Regulierung künftig kaum mehr durchzusetzen wären. Auch dies wäre eine nicht akzeptable Einschränkung der Handlungsfähigkeit demokratisch legitimierter Institutionen und stünde dem Primat der Politik entgegen. Besonders gravierend ist dabei, dass durch solche Klauseln die derzeitige Deregulierungspolitik mit einer Ewigkeitsgarantie ausgestattet würde. Das heutige Deregulierungsniveau würde quasi eingefroren. Ein Zurückdrehen des Rades im Sinne einer stärkeren Regulierung durch nachfolgende Regierungen wäre nicht mehr möglich. In diesem - quasi mechanischen - Sinne ist der Ausdruck Ratchet- oder Sperrklinken-Klausel zu verstehen (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Sperrklinke ) Wie weitreichend die Wirkung solcher Klauseln in TiSA am Ende sein wird, ist zwar noch offen. Aber die grundsätzliche Haltung, Staaten als Handelshemmnisse zu sehen, deren Einfluss es zu minimieren gilt, ist deutlich zu erkennen – und muss misstrauisch machen.
Ich hoffe, Ihnen meine Position verständlich gemacht zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen nach Coppengrave,
Brigitte Pothmer