Frage an Brigitte Pothmer von Johanna S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Pothmer,
zur Zeit befassen wir uns in Sozialwissenschaftsunterricht mit dem Thema Tarifverträge. Dazu möchte ich mehr über ihre Position zu dem Thema: „ Tarifverträge – (k)ein sinnvolles System in der heutigen Zeit“ erfahren.
Mit freundlichen Grüßen
Johanna Samson
Sehr geehrte Frau Samson,
wir Grünen halten sehr viel von der deutschen Tarifpartnerschaft. Das Miteinander von Arbeitnehmer- und Arbeitgebern hat sich bewährt, wenn es darum geht, faire Löhne und Arbeitsbedingungen zu vereinbaren und verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Aus meiner Sicht profitieren davon beide beteiligte Seiten. Die aktuellen Verhandlungen in der Metall- und Elektrobranche zeigen beispielhaft, wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam nach Lösungen suchen, um in der krisenbedingt angespannten Lage möglichst viele Arbeitsplätze der Branche zu retten. Auch dafür ist die Tarifpartnerschaft eine wichtige Institution.
Nichtsdestotrotz müssen wir feststellen, dass immer mehr Arbeitnehmer sich nicht mehr gewerkschaftlich organisieren und dass immer mehr Arbeitgeber die Tarifgemeinschaft verlassen und sich nicht mehr an tarifliche Absprachen gebunden fühlen. Diese Entwicklung schwächt insbesondere die Position der Beschäftigten und hat dazu geführt, dass immer mehr Menschen in Deutschland zu Niedrigstlöhnen (zum Teil für unter 5 Euro in der Stunde) arbeiten müssen. Von dieser Abwärtsspirale sind aber auch die Betriebe betroffen, die sich zunehmend einem Wettbewerb ausgesetzt sehen, der nicht mehr durch die Qualität des Angebotes, sondern durch Lohndumping entschieden wird.
Wir Grünen setzen uns darum für eine allgemein geltende Lohnuntergrenze von mindestens 7,50 Euro ein. Zu diesem Zweck wollen wir eine Mindestlohn-Kommission einrichten, die im übrigen auch für faire Bedingungen in Branchen mit nicht ausreichender Tarifbindung sorgen soll. Mit unserem Vorschlag unterstützen wir die Tarifpartner dabei, ihre Aufgabe wahrzunehmen und angemessene Lohnabschlüsse zu erzielen. Denn dort wo Tarifverträge nicht-existenzsichernde Löhne vorsehen (z.B. der Tariflohn von 3€/h für einen Friseur in Sachsen), funktioniert die Tarifautonomie nicht mehr. Die Gewerkschaft ist zu schwach, um das Ungleichgewicht im individuellen Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber auszugleichen und angemessene Löhne festzulegen. Wir begreifen es als Schutzpflicht des Gesetzgebers, hier einzugreifen.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Pothmer