Frage an Brigitte Lösch von Felix S. bezüglich Verkehr
Ich fahre viel per Bahn und fahre öfters nach oder über Stuttgart. Ich habe Fragen an alle Landtagskandidaten in Stuttgart.
Wie stehen sie zu Stuttgart 21 (S 21)? Wie stehen Sie zu den Aussagen, dass der Ausstieg aus dem Projekt jetzt noch immer günstiger ist, als der Weiterbau? http://www.bei-abriss-aufstand.de/2016/02/14/presseerklaerung-des-aktionsbuendnisses-gegen-s21-gutachten-zu-ausstiegskosten/ Falls Sie oder ihr Koalitionspartner für S 21 sind, setzen Sie sich dafür, dass der Kopfbahnhof erhalten bleibt und im Tunnel nur 4 Gleise verlaufen? Das hat viele Vorteile. Der Kopfbahnhof ist leistungsfähiger ist als der 8 gleisige Tunnelbahnhof. Die Bahnsteigbreite im Tunnel kann mehr als verdoppelt werden, ein sicheres Brandschutzkonzept mit großen Fluchtwegen wird möglich. Diesel- und Museumszüge können nicht den Tunnel nutzen und brauchen den Kopfbahnhof. Auf dem Kopfbahnhof können beginnende oder endende Züge länger am Bahnsteig stehen, so dass man sehr oft schon einige Zeit vor der Abfahrt im Zug gemütlich platz nehmen kann, Im Tunnel ist das aus Fahrplangründen nicht möglich. Der Umstieg zwischen den Zügen ist im Kopfbahnhof barierefrei. Da eine Verkehrswende deutlich mehr Zugverkehr erfordert und die Verlängerung von Zugfahrten nach Stuttgart erfordert, die weit vor der Landeshauptstadt enden, ist es für mich zwingend, den Kopfbahnhof in voller Gleiszahl zu erhalten bzw. durch eine Neuordnung der Gleise und Bahnsteige sogar noch zu vergrößern. Ich habe Sorge, dass Stuttgart 21 künftig der Flaschenhals im Bahnverkehr wird, der durch seine Engpässe den Fahrplan in ganz Deutschland negativ beeinflusst. Noch ließe sich dass durch Erhalt des Kopfbahnhofes verhindern.
Sehr geehrter Herr S.,
ich habe seit vielen Jahren Stuttgart 21 bekämpft, mit Anträgen, Redebeiträgen und Auftritten. Doch trotz Regierungswechsel 2011 war und ist im Landtag nur ein Viertel der Abgeordneten (nämlich die der Grünen) gegen S 21. Während sich die Grünen aus verkehrlichen wie finanziellen Gründen stets gegen das Projekt Stuttgart 21 aussprachen, war die SPD dafür. Und die Volksabstimmung warTeil des Koalitiinsvertrags von Grün und Rot.
Im Vorfeld der Volksabstimmung habe ich mit vollem Einsatz für ein „Ja zum Ausstieg“ geworben. Landesweit warben Ausstiegsbefürworter mit ihren Argumenten (befürchtete Kostensteigerung, mangelnder Verkehrsnutzen usw.) und diejenigen, die weiterbauen wollten warben mit ihren Argumenten (Ausstiegskosten, Fahrtzeitverkürzungen usw.). Leider glaubte eine Mehrheit der anderen Seite. Ausschlaggebend und durchschlagend war insbesondere die Warnung vor hohen Ausstiegskosten, dies spürte ich an vielen Infoständen. Leider lässt sich hier nachträglich nicht klären, wer Recht hatte. Unser Argument der steigenden Baukosten hat sich leider sehr schnell und dramatisch bestätigt, wurde aber offensichtlich von denjenigen, die sich an der Abstimmung beteiligten, nicht so hoch bewertet. Als Demokratin habe ich die Verträge und den Ausgang der Volksabstimmung zu akzeptieren – auch wenn mir das Ergebnis nicht gefällt. Die Landesregierung ist an Recht und Gesetz gebunden. Dass die Grünen Abgeordneten und Minister*innen einschließlich des Ministerpräsidenten aus guten Gründen anderer Auffassung waren und sind, bleibt dabei – zu Recht – außen vor. Der Souverän hat gesprochen. Sein Wille zählt. Das heißt für uns aber trotzdem , dass wir das Projekt kritisch begleiten - und meine Meinung über das Projekt ist nach wie vor eindeutig: Das milliardenschwere Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 genügt den essentiellen Anforderungen an einen zukunftsfähigen Bahnbetrieb nicht und bleibt verkehrlich eine Fehlentscheidung. Der künftige Hauptbahnhof wird nicht die Leistung bringen, die benötigt wird, um die angestrebten und verkehrlich sowie umweltpolitisch dringend notwendigen höheren Verkehrsanteile der Schiene stemmen zu können. Er schafft neue Engpässe, ist viel zu teuer und erschwert die Finanzierung anderer, besserer Schienenprojekte. Leider haben Mehrheiten in Parlamenten und Kommunalgremien sich für dieses Projekt entschieden und Verträge dafür geschlossen.
Doch bemühen wir uns um intensiv Verbesserungen, beim Lärmschutz, der Leistungsfähigkeit und der Sicherheit. Mit der von unserem grünen Verkehrsminister angeregten Vereinbarung zum Dritten Gleis am künftigen Flughafenbahnhof und der besseren Anbindung im Zuge der Rohrer Kurve konnte das Projekt S 21 an einer seiner kritischsten Stellen deutlich verbessert werden. Den Kostendeckel für den Finanzierungsanteil des Landes haben wir gehalten. Die DB ist Bauherr und der Bund ist Eigentümer der DB. Die Bahn trägt die alleinige Verantwortung: Denn die Deutsche Bahn AG hat am 5. März 2013 entschieden, trotz der massiven Kostensteigerungen den Bau fortzusetzen. Sie hat entschieden, den Finanzierungsrahmen des Projekts um 2 Milliarden Euro auf 6,526 Milliarden Euro zu erhöhen - wissend, dass die grün-rote Koalition zu keiner weiteren Mehrkostenübernahme bereit ist.
Doch ist noch die Frage zu klären: Wieviel Bahnhof braucht Stuttgart? Muss ein Teil der bestehenden Gleisanlagen erhalten werden, und wenn ja, in welchem Umfang? Dann könnten die Gäubahn-Gleise weiterhin an die Innenstadt angeschlossen und könnte ein Notfallkonzept für den Ausfall von Teilen der S-21-Infrastruktur konzipiert werden. Außerdem ergäben sich neue Kapazitäten für einen Ausbau Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs. Doch die Bahn hat die Gleisflächen an die Stadt Stuttgart verkauft. Der Bahnhof ist weiterhin im Besitz der Bahn. Die Bahn plant den Rückbau der alten Gleise und vertritt die Ansicht, dass dafür kein Stilllegungsverfahren notwendig wäre, weil die Gleise ja nur verlegt und unterirdisch weiterbetrieben würden. Zumindest könnte aber ein so genanntes Freistellungsverfahren notwendig werden. Bei diesem wird geklärt, ob die Eisenbahn-Infrastruktur entwidmet, die Fläche also für andere Zwecke verwendet werden darf. Auch hierfür wäre die Bedingung, dass kein Dritter ein Nutzungsinteresse bekundet. Ein Weiterbetrieb, auch wenn verkehrlich durchaus sinnvoll und zu begrüßen, hängt aber weiterhin vom Interesse der Bahn oder eines anderen Betreibers an den Gleisen, deren Rückkauf und Weiterbetrieb.
Mit freundlichen Grüßen,
Brigitte Lösch