Frage an Brigitte Lösch von Jonathan M. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Lösch,
ich habe eine einfache Frage an Sie:
Ist es für die Grünen derzeit nicht einfach politisch opportun gegen Stuttgart21 zu sein?
Im Vergleich zwischen schlussendlich verkehrstrategischem, wirtschaftlichem, finanzpolitischen Nutzen ist das Projekt S21 gegenüber K21, welches bisher nur auf dem Löschpapier besteht, eindeutig vorzuziehen.
Aus dieser Sicht ärgert es mich unglaublich, dass Parteien die derzeitige Lage ausnutzen, um aus reinem Stimmenfang gegen eigentlich sinnvolle Projekte propagieren! Es lockt doch einfach ein massiver Stimmgewinn!? Das bisschen Populismus was Sie dafür betreiben müssen, ist ja nicht der Rede wert, wa?
Ein Baustopp und der Abbruch des Projekts Stuttgart21 würden erstmal 1,5 Milliarden Euro Regressforderungen für bereits eingegangen Verträge mit sich bringen. Dann nochmal die Planung für K21 plus Baukosten und wir sind mindestens bei dem Betrag, den S21 schlussendlich kosten wird. Oder wollen Sie die neu zu verlegenden Schienen ökologisch korrekt aus beschichtetem Holz fertigen lassen, um im wirtschaftlich dann sicherlich abgehängten Stuttgart die gute alte schwäbische Eisenbahn wieder aufleben zu lassen?
Über eine verkehrsstrategisch wie auch finanzpolitisch endlich sinnvolle Antwort wäre ich sehr erfreut.
Mit freundlichen Grüßen
Jonathan Mayer
Sehr geehrter Herr Mayer,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich will gerne versuchen, Ihnen eine verkehrsstrategisch und finanzpolitisch sinnvolle Antwort zu geben.
Die Kosten bei einem Projektabbruch sind viel niedriger als behauptet. Die von den Befürwortern genannte Summe von 1,4 Milliarden Euro entbehrt jeder Grundlage. Experten kommen zu anderen Ergebnissen und haben eine Summe von höchstens 400-500 Millionen Euro ermittelt. Das entspricht 4-5 Prozent der Gesamtkosten des Projekts. Echte Kosten sind bisher fast nur im Zusammenhang mit den Planungen für das Projekt entstanden. Der Grundstücksdeal, mit dem die Stadt Stuttgart der Bahn das Gleisvorfeld abgekauft hat, kann wieder rückgängig gemacht werden. Nur wenige Aufträge sind bisher vergeben worden und auch diese können wieder rückabgewickelt werden.
Klar ist natürlich: Je früher das Milliardengrab gestoppt wird, desto besser. Denn mit jedem weiteren Abrisstag und jeder weiteren Baumaßnahme wird der Ausstieg teurer und damit schwieriger.
Stuttgart 21 ist auch zum jetzigen Zeitpunkt noch umkehrbar. Die Bundesregierung macht es derzeit beim Atomausstieg vor. Obwohl die Verträge mit den AKW-Betreibern seit Jahren rechtsgültig abgeschlossen, also “unumkehrbar” sind, strebt sie gemeinsam mit den Stromkonzernen eine Änderung an.
Die Hauptvorteile unseres Alternativkonzeptes „K 21“ sind: Vorteile für den Nah- und Regionalverkehr, deutlich geringere Kosten und weniger Risiken. Das Alternativkonzept ist modular angelegt und kann je nach Bedarf und Finanzsituation schrittweise realisiert werden. Im Unterschied zu Stuttgart 21 können beide Projekte unabhängig voneinander gebaut werden, während Stuttgart 21 nur mit einer Neubaustrecke funktioniert.
Hinzu kommt, dass die Befürworterseite keine verlässlichen Angaben darüber machen kann oder will, wie teuer Stuttgart 21 tatsächlich wird oder werden kann. Die einzige finanzpolitisch sinnvolle Antwort kann daher nur sein: Stuttgart 21 sofort stoppen!
Mit freundlichem Gruß,
Brigitte Lösch