Frage an Brigitte Lösch von Rainer L. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Lösch,
wie ist Ihre Meinung zum bedingungslosen Grundeinkommen?
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Locke
Sehr geehrter Herr Locke,
Anbei meine Antwort zum Thema "bedingungsloses Grundeinkommen".
Zukunftsfähige Sozialpolitik -
Bedarfsorientierte Grundsicherung oder/statt bedingungslosem Grundeinkommen
Die Diskussion um die Weiterentwicklung des Sozialstaates spitzt sich gegenwärtig auf die Fragestellung zwischen Grundsicherung und Grundeinkommen zu.
Öffentlich hat die Idee des bedingungslosen Grundeinkommen eine große Resonanz, so spricht sich sowohl Prof. Götz Werner, Chef der Drogeriemarktkette dm für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus, genauso wie MP Dieter Althaus aus Thüringen. In allen politischen Lagern finden sich Befürworter dieser Konzepte, sowohl bei der FDP, wie bei den LINKEN und auch bei den GRÜNEN werden verschiedene Arten von Grundeinkommen diskutiert.
Hinter der Forderung nach einem „Grundeinkommen“ versammeln sich die unterschiedlichsten Motive, so werden bei den konservativen oder neoliberalen Grundsicherungsmodelle die Sozialversicherungssysteme auf einen Mindestsockel abgeschmolzen – ein riesiges Einsparprogramm unter dem Vorzeichen von „Freiheit“ und „Selbstbestimmung“.
Im Mittelpunkt der Diskussion um ein Grundeinkommen steht oftmals die These vom „Ende der Arbeit“. Dies stimmt m.E. so nicht, die Erwerbsarbeit geht nicht zu Ende, sie verändert sich. Zu Ende geht das so genannte „männliche Normalarbeitsverhältnis“ und somit der Traum von der „Vollzeitarbeitsgesellschaft“.
Man mag die hohe Bedeutung, die der Erwerbsarbeit zugemessen wird für falsch halten, aber man kann diese gewachsene Wertvorstellung nicht einfach ignorieren. Arbeit ist nach wie vor ein zentraler Lebensbereich, über den sich Menschen identifizieren. Von daher halte ich jegliche Anstrengungen die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und Brücken in den zweiten oder ersten Arbeitsmarkt zu schlagen für sinnstiftender wie eine „Ruhigstellung“ der Arbeitslosen mit einem Grundeinkommen.
Gerechtigkeit bedeutet für uns Grüne nicht nur Verteilungsgerechtigkeit, sondern vor allem auch Beteiligungs-und Chancengerechtigkeit. Es stellt sich die Frage, wie neben einem bedingungsloses Grundeinkommen die nötige Finanzierung der Infrastruktur erfolgen soll, wir brauchen dringend höhere Ausgaben für die soziale Infrastruktur, insbesondere für die Verbesserung des Bildungswesens. Der Zugang zu Bildung ist die soziale Frage dieses Jahrhunderts. Ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt darauf keine Antwort.
Man muss sich darüber im Klaren sein, dass eine Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens auf absehbare Zeit unsere anderen politischen Vorhaben – sofern sie nicht kostenneutral umgesetzt werden können - auf Eis legen würde.
Wir lösen die Probleme der sozialen Sicherung nicht mit Systemdebatten, sondern wir sollten uns in die gegenwärtigen realen Auseinandersetzungen einmischen und für eine Verbesserung von ALG II hin zu einer sozialen Grundsicherung streiten, mit einer Erhöhung der Regelleistungen, einer stärkeren Individualisierung der Leistung und einer Abkopplung vom Partnereinkommen.
Auch in der Sozialpolitik sollte grüne Politik zwar radikal aber auch realistisch sein.
Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Lösch