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Boris Burkert
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Frage von Davin B. •

Frage an Boris Burkert von Davin B. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Burkert,

einige Fragen an Sie:

1. Gerade im Angesicht der europäischen Integration, sehen Sie das Prinzip Nationalstaat auch als zukünftig gültig an, oder wären Sie eher für einen europäischen Bundesstaat?

2. Wie sehen Sie die Zukunft der Integration von Einwanderern? Mehr und mehr Stimmen werden laut, die diese Integration, wie sie jetzt vonstatten geht (bzw. nicht vonstatten geht) als gescheitert ansehen. Würden Sie dem bisherigen Weg folgen, und wenn nein, was würden Sie ändern, um die Bildung von Parallelgesellschaften, die sich mitunter im vollen Gange befindet, und auch die zunehmende Gefahr des islamischen Extremismus abzuwenden?

3. Was wollen Sie tun, um dem Demographieproblem entgegenzuwirken bzw. wollen Sie ihm entgegenwirken? Werden Sie sich dafür einsetzen, daß deutsche Frauen wieder mehr Kinder bekommen (können)?

4. Braucht Deutschland noch mehr Zuwanderung oder ist die "Schmerzensgrenze" bereits überschritten (in einigen Gegenden stellen Zuwanderer mittlerweile die Mehrheit)?

Mit freundlichen Grüßen!

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Bußmann,

die Europäische Union kann und soll kein europäischer Bundesstaat werden. In unserem Grundsatzprogramm bekennen wir Grünen uns klar zur europäischen Integration, betonen aber zugleich die wichtige Rolle der einzelnen Nationalstaaten für ein einiges Europa.
Freilich werden im Zuge der Integration bestimmte Kompetenzen an die EU übertragen, dies ist jedoch unproblematisch, solange die Enscheidungen in der EU demokratisch und transparent getroffen werden. Die Grünen, die die europäische Integration von Anfang an ernst genommen haben, bemühen sich seit jeher darum, Transparenz zu fördern und auf die Beseitigung von Demokratiedefiziten hinzuwirken.
Aus diesem Grund unterstützen wir zum Beispiel die Forderung nach einer Verbindlichkeit von Stellungnahmen des Bundestages für die Regierung in Fragen der Europapolitik:
http://www.sueddeutsche.de/politik/570/483020/text/

Zu Ihrer Frage 2:
Integration ist ein sozialer und politischer Prozess. Dieser hat keinen festgelegten Endpunkt, an dem von „Scheitern“ oder „Gelingen“ gesprochen werden kann. Vielmehr stellt sich die Aufgabe der Integration von Migrantinnen und Migranten jeden Tag aufs Neue. Dass auf diesem Politikfeld viel verbesserungswürdig ist und einiges getan werden muss, steht außer Frage.
Um die Integration von Migrantinnen und Migranten effektiv fördern zu können, ist es wichtig, auf dem Arbeitsmarkt und im Bildungsbereich für Chancengleichheit zu sorgen. Ein wichtiges Element ist hier die frühe sprachliche Integration von Migrantinnen und Migranten und ihren Kindern. Ansprechen möchte ich auch die wichtige Rolle des Arbeitsmarktes für die Integration. In eine Gesellschaft, die ihnen Aufstiegschancen bietet, werden sich Migrantinnen und Migranten gerne integrieren.
Um für eine bessere Integration zu sorgen ist es zudem unerlässlich, für eine stärkere politische Teilhabe von Migrantinnen und Migranten zu sorgen. Das kommunale Wahlrecht auch für Nicht-EU Bürger wäre hier als Beispiel zu nennen. Ausserdem müssen im Bezug auf die Einbürgerung von Migrantinnen und Migranten Hürden abgebaut werden.
In den von mir angesprochenen Bereichen müsste sich die Integrationspolitik ändern, um eine bessere Integration zu gewährleisten. Die Umsetzung dieser Punkte würde auch der Entstehung sogenannter „Parallelgesellschaften“ entgegenwirken, da die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe einen Rückzug in die gesellschaftliche Isolation unattraktiv werden lässt.
Das Problem des Islamismus wird sich durch verstärkte Integrationsbemühungen alleine nicht lösen lassen. Die islamistische Ideologie lehnt unsere Gesellschaft und ihre demokratischen Werte ab. Ihre Propaganda trifft bei Menschen auf offene Ohren, die an der Gesellschaft gescheitert sind, oder sich von der Gesellschaft benachteiligt oder ausgestoßen fühlen. So gesehen kann die gelungene Integration von Migrantinnen und Migranten deren eventuelle Anfälligkeit für die islamistische Propaganda entscheidend verringern. Die religiöse Ideologie des Islamismus ist jedoch nicht auf Migrantinnen und Migranten beschränkt. Schon 2007 stellte das Innenministerium fest, dass die Islamismusaffinität deutscher Islamkonvertiten prozentual höher ist als die von Muslimas und Muslimen mit Migrationshintergrund. Zur wirkungsvollen Bekämpfung des Islamismus müssen also Mittel angewandt werden, die nicht nur auf die Migrantinnen und Migranten abzielen. Für Staat und Gesellschaft stellen sich hier verschiedene Aufgaben: neben polizeilichen Maßnahmen muss auch Aufklärung über die Ziele und die Struktur dieser Ideologie und ihrer Vertreter betrieben werden.
Desweiteren muss eine Politik betrieben werden, die das Vertrauen der Menschen in diesem Land in die Demokratie und die Werte unseres Grundgesetzes stärkt. Eine solche Politik immunisiert die Menschen gegen eine Anfälligkeit für die Lügen extremistischer Gruppen. Für diese Politik möchte ich mich engagieren.

Zu Ihrer Frage 3:
Tatsächlich stellt die in den Medien breit diskutierte demografische Lage Politik und Gesellschaft vor schwierige Aufgaben. Bleibt die demografische Entwicklung gleich, werden künftig weniger Beitragszahlerinnen und Beitragszahler die Sozialkassen füllen, während gleichzeitig zunehmend mehr Menschen auf eine angemessene Altersversorgung angewiesen sein werden. Zudem wird die Anzahl pflegebedürftiger Menschen ansteigen. Die finanziellen Herausforderungen zu meistern, die mit der demografischen Situation einhergehen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Sie bedarf eines sozialen Sicherungssystems, dem Älterwerdende vertrauen können. Gleichzeitig muss dafür gesorgt sein, dass die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in diesem System nicht finanziell überfordert werden. Nur so kann auch in Zukunft eine soziale und solidarische Gesellschaft bestehen. Um ein würdiges und selbstbestimmtes Leben älterer Menschen zu gewährleisten, setzten wir Grünen auch auf die Stärkung kommunaler Strukturen bei der Daseinsvorsorge. Die demografische Schichtung stellt sich in verschiedenen Gebieten nämlich recht unterschiedlich dar. Wichtig ist uns hier, auch älteren Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, ein höchstmögliches Maß an Selbstbestimmung zu ermöglichen.
Bevor ich Ihre zweite Frage zu diesem Thema beantworte möchte ich auf Folgendes verweisen: Es ist für mich vollkommen irrelevant, welche Nationalität eine Frau hat, die in Deutschland ein Kind bekommen möchte. Jede werdende Mutter verdient ungeachtet Ihrer Herkunft die volle Unterstützung der Gesellschaft und jedes Kind ist in unserem Land willkommen!
Auf die demografische Entwicklung selbst kann und soll die Politik in einer Demokratie keinen direkten Einfluss nehmen. Ob Frauen Kinder bekommen ist allein die Entscheidung der betreffenden Frauen. Die einzige Möglichkeit, die die Politik hat, ist, Anreize zu schaffen. Diese müssen darauf abzielen, denjenigen, die sich Kinder wünschen, diesen Schritt zu erleichtern und Eltern zu entlasten. Und auf diesem Politikfeld haben wir Grüne einiges vor! Durch eine Kindergrundsicherung wollen wir die Kinderarmut bekämpfen und dafür sorgen, dass sogenannte „Armutskarrieren“ gar nicht erst beginnen. Mit der Forderung nach einem Rechtsanspruch auf ganztägige, qualitativ hochwertige Bildung und Betreuung für Kinder ab dem ersten Lebensjahr wollen wir die bestmögliche Förderung von Kindern gewährleisten und berufstätige Eltern unterstützen. Um die Qualität der individuellen kindbezogenen Förderung anzuheben, halten wir eine bessere Personalausstattung in den einzelnen Kindertageseinrichtungen für unerlässlich. Der sich ändernden familienpolitischen Realität wollen wir unter anderem dadurch Rechnung tragen, dass wir die steuerliche Ungleichbehandlung alleinerziehender Eltern oder Eltern in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft gegenüber verheirateten Eltern beseitigen. Wir fordern desweiteren die als familienbezogene Leistung steuerfinanzierte Übernahme anfallender Behandlungskosten für ärztlich assistierte Reproduktion. Durch diese Maßnahme können sich auch Alleinstehende, Paare ohne Trauschein, oder LebenspartnerInnen einen Kinderwunsch leichter erfüllen. Auch die Öffnung des Adoptionsrechts für gemeinschaftliche Adoptionen durch Eingetragene Lebenspartnerschaften und nicht-eheliche Lebensgemeinschaften ist uns ein Anliegen. Durch die Förderung flexiblerer Arbeitszeitmodelle wollen wir dafür sorgen, dass Familie und Beruf leichter vereinbart werden können. Auch den Vätern wird so die Möglichkeit gegeben, sich an der Kindererziehung beteiligen zu können. Durch die Förderung von Jugendkulturen und der Schaffung von Freiräumen für Jugendlichen sowie durch die Bereitstellung von Betreuungsangeboten wollen wir ein Kinder- und Jugendfreundliches Klima schaffen. Unsere Bemühungen sich darauf ausgerichtet, optimale Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Menschen allen Alters in unserer sich wandelnden Gesellschaft gut leben können.

Zur Ihrer Frage 4:
Ihre Formulierung bei Menschen von einer Schmerzgrenze zu sprechen, finde ich außerordentlich unglücklich und unangebracht. Auch diese Migrantinnen und Migranten haben ihre indivuellen Lebensläufe und verdienen es wie jeder Erdenbürger mit Anstand und Respekt behandelt zu werden. Wenn die von mir in der Antwort auf Frage zwei aufgezählten Schritte konsequent durchgeführt würden, würde sich die Frage nach der Anzahl der Migrantinnen und Migranten nicht stellen.
Selbst wenn es Gegenden gäbe, in denen Migrantinnen und Migranten die Mehrheit stellten, sähe ich darin kein Problem. Wichtig ist nämlich Verhalten und nicht Herkunft der Menschen.
Dieser Leitlinie folgend begründe ich auch mein Engagement gegen Rechtsextremismus. Wo dieser Boden fasst, wie in machen ostdeutschen Dörfern, entstehen gefährliche Parallelgesellschaften, sogenannte national befreite Zonen, in denen die Werte unserer freiheilich-demokratischen Grundordnung akut bedroht sind.

Ich hoffe alle Ihre Fragen zufriedenstellend beantwortet und Sie von den
Inhalten der GRÜNEN überzeugt zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Boris Burkert