Frage an Björn Sänger von Monika F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Hallo, Herr Sänger, guten Tag!
Bitte beantworten Sie mir doch bitte meine Fragen.
Medienberichten zufolge kommen in Afghanistan von unseren Entwicklungshilfemillionen, die wir seit Jahren zahlen, angeblich nur geringe Summen bei der Bevölkerung an. Nach Aussagen von Entwicklungshilfe-mitarbeiterinnen/-arbeitern kommen bei ihnen in Afghanistan nur Bruchteile der zugesagten Summen an. Angeblich versickern stattdessen grosse Summen der Entwicklungshilfegelder bei Hamid Karzai und seiner Familie. Wenn das so ist, warum bitte finanzieren wir immer noch weiter Entwicklungshilfe für einige wenige? Wer garantiert dafür, dass die Entwicklungshilfe korrekt verteilt wird und bei denen ankommt für die sie gedacht ist. Nämlich, für die Bildung und Ausbildung und berufliche Weiterbildung der afghanischen Bevölkerung? Wer überwacht und kontrolliert eigentlich die Verwendung der Entwicklungshilfemillionen, damit sie nicht bei einzelnen besonders begünstigten Menschen ankommt, während der überwiegende Teil der afghanischen Bevölkerung nichts davon hat? Wohin versickerten die Entwicklungshilfegelder, die für Schulen, für Krankenhäuser, für Ausbildungsstätten, für den Infrastrukturausbau und und und bereitgestellt und nicht dafür genutzt wurden? Stattdessen bauen sich, dem ARD Auslandsbericht zufolge, einige Mitglieder der Karzai-Familie riesige ummauerte Anwesen und leben im Luxus, während die Bevölkerung weiterhin in Armut lebt und damit offen für die Versprechungen der Taliban ist.
Was kann/sollte Ihrer Meinung nach sofort geschehen, damit die Entwicklungshilfemillionen dort ankommen, wo sie gebraucht und erhofft werden?
Danke, für Ihre Antwort und mit freundlichem Gruß Monika Frank
Sehr geehrte Frau Frank,
seit 2001 stehen die afghanische Regierung und die internationale Gemeinschaft nach über zwanzig Jahren Gewalt und Zerstörung vor der schwierigen Aufgabe, in Afghanistan Frieden zu schaffen und ihn zu festigen. Wirtschaftliche, soziale und politische Strukturen müssen wiederhergestellt oder neu errichtet werden.
Der Grundstein für den politischen Wiederaufbau des Landes wurde Ende 2001 auf einer Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn gelegt. Seither wurden wesentliche demokratische Institutionen etabliert. Die politischen Rahmenbedingungen für Frauen haben sich erheblich verbessert. Afghanistan hat nun eine Verfassung, die Frauen und Mädchen gleiche Rechte wie Männern und Jungen einräumt und auch die Vertretung von Frauen im Parlament sichert. Die afghanische Zivilgesellschaft http://www.bmz.de/de/service/glossar/Z/zivilgesellschaft.html und die Medien entwickelten sich dynamisch. Gleichzeitig sind erhebliche Fortschritte im wirtschaftlichen und sozialen Bereich zu verzeichnen.
Sorgen bereitet jedoch die weiterhin schwierige Sicherheitslage. Durch die anhaltende Gewalt der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte werden die friedliche Entwicklung des Landes und die Erfolge beim Wiederaufbau bedroht. Die Stabilisierung der Sicherheitslage bleibt eine langfristige Aufgabe .
Deutschland ist das drittgrößte Geberland Afghanistans und engagiert sich dort sowohl mit zivilen als auch militärischen Mitteln für den Wiederaufbau. Die Bundesrepublik trägt dazu bei, ein sicheres Umfeld für die Wiederaufbau- und Entwicklungsarbeit zu schaffen. Der Deutsche Bundestag hat das Mandat für den ISAF-Einsatz der Bundeswehr im Januar 2013 um ein weiteres Jahr bis zum 28. Februar 2014 verlängert. Die Personalobergrenze wurde dabei von 4.900 auf 4.400 Soldatinnen und Soldaten gesenkt. Ziel der Bundesregierung ist, die Anzahl der Soldatinnen und Soldaten bis zum Ende des Mandats auf 3.300 zu reduzieren.
Ende 2014 soll der ISAF-Einsatz beendet sein. Die Entwicklungszusammenarbeit ist dagegen deutlich langfristiger angelegt. Die internationale Staatengemeinschaft hat Afghanistan zugesichert, den Wiederaufbau und die nachhaltige Entwicklung http://www.bmz.de/de/service/glossar/N/nachhaltige_entwicklung.html des Landes mindestens bis 2024 zu unterstützen .
Die deutsch-afghanische Entwicklungszusammenarbeit konzentriert sich auf die Schwerpunkte gute Regierungsführung, Energie, Trinkwasser, Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung sowie Grund- und Berufsbildung. Zum Schwerpunkt gute Regierungsführung zählt auch die Stärkung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten – besonders die Verbesserung der Lage von Mädchen und Frauen – sowie die Unterstützung von Mechanismen der Friedensentwicklung.
Die christlich-liberale Koalition hat in dieser Legislaturperiode das Deutsche Evaluierungsinstitut für Entwicklungszusammenarbeit gegründet. Übergeordnetes Ziel des DEvals ist die unabhängige Beurteilung des Erfolges von Maßnahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Durch seine unabhängige und externe Gesamtsicht hilft das Institut, Methoden und Standards von Evaluierungen aufzuarbeiten und damit die Qualität von Erfolgsbewertungen zu erhöhen. Auch die Arbeit Deutschlands in Afghanistan wird von diesem Institut evaluiert – es werden Schwachstellen erkannt um die zukünftige Arbeit noch wirksamer zu gestalten.
Leider ist mir nicht bekannt, welchen ARD-Bericht Sie gesehen haben. Und ich kann auch nicht einschätzen, wie seriös die Berichterstattung dort gewesen ist.Ich kann Ihnen aber versichern, dass es nicht das Anliegen der Bundesregierung ist, den Präsidenten eines Landes privaten Luxus zu finanzieren. Im Gegenteil ist ein Kernanliegen dieser Koalition, Steuergelder wirksamer und transparenter einzusetzen. Die christlich-liberale Koalition hat die deutsche Entwicklungszusammenarbeit daher in den vergangenen vier Jahren unter der Federführung von Minister Niebel neu ausgerichtet: Durch einen tiefgreifenden strukturellen Umbau hat die deutsche Entwicklungszusammenarbeit an Effizienz gewonnen, ihr Wirksamkeit gesteigert und ihre Sichtbarkeit erhöht.
Allerdings sollte bei der Bewertung der deutschen Arbeit in der Entwicklungszusammenarbeit nicht der Fehler begangen werden, hiesige Gepflogenheiten und Strukturen auf alle Länder dieser Welt zu übertragen. Korruption ist eines der größtem Hemmnisse bei der Entwicklung eines Landes. Doch um sie zu bekämpfen benötigt es einen langen Atem.
Ich hoffe sehr, Ihnen mit meiner Antwort behilflich gewesen zu sein und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Björn Sänger