Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um den Widerspruch zwischen dem EU-Mercosur-Deal und den EU-Zielen zum Verbrenneraus und zur Reduktion des Pestizideinsatzes und des Fleischkonsums zu beseitigen?
Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten ist umstritten und muss nachgebessert werden.
Mit einer neuen weltpolitischen Lage haben sich die Vorzeichen in letzter Zeit allerdings verändert. Das Abkommen könnte hier Chancen bieten, indem es Bezugsquellen und resiliente Lieferketten diversifiziert, unter dem Strich also neuen geopolitischen Herausforderungen begegnet. Klar ist: Will Europa sich in wesentlichen Bereichen weiter unabhängig zum Beispiel von China machen, ist es auf Partner angewiesen, die diesen Prozess begleiten. Das EU-Verbrenner-Aus kann nur funktionieren, wenn verlässlich ausreichend Rohstoffe zur Verfügung stehen. Die europäische Energiewende ist insgesamt auf strategische Partnerschaften und Abkommen angewiesen. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass flächenmäßig große Länder wie die lateinamerikanischen Staaten derzeit noch andere Ansprüche an Mobilität haben als viele dichtbesiedelte Ballungsgebiete in Europa. Brasilen setzt seit Jahren auf Biokraftstoffe. Andere südamerikanische Länder haben aufgrund der schlechten Infrastruktur und hoher Kosten der Elektromobilität ggf. weiter Bedarf an Verbrenner-Motoren.
Befürchtungen, dass durch niedrigere Zölle der Absatz von Verbrennern kurzfristig steigen könnte, dass durch den billigeren Export von Rindfleisch weiter Regenwald gerodet wird und mehr und vergünstigt Pestizide zum Einsatz kommen, sind berechtigt. In einigen Punkten können diese Befürchtungen etwas entschärft werden: so sind Übergangsfristen meist von 10 Jahren, bei sensiblen Produkten von bis zu 15 Jahren vorgesehen. Diese sollen die Produktion in den Mercosur-Ländern schützen. Das Überschwemmen südamerikanischer Länder mit Verbrennern soll damit verhindert werden. Unabhängig vom Mercosur-Vertrag gilt die neue Verordnung gegen Entwaldung auf EU-Ebene, die Produkte, die mit Entwaldung oder Waldschädigung verbunden sind (Soja, Rinder, Palmöl, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz), effektiv ausschließt. Für die Einfuhr von Soja aus den Mercosur-Ländern in die EU gilt zu berücksichtigen, dass die Zollsätze für Sojabohnen und Sojamehl ohnehin bereits bei null liegen. Die Bundesregierung erarbeitet zurzeit zudem eine Verordnung auf Basis des Pflanzenschutzgesetzes. Der Anwendungsbereich betrifft bestimmte Pflanzenschutzmittel, deren Wirkstoffe bestimmte gesundheitsschädliche Eigenschaften haben und auf EU-Ebene nicht genehmigt sind. Die EU-Vorschriften zu den Rückstandshöchstgehalten müssen bei der Einfuhr von Produkten aus Drittstaaten weiterhin streng überwacht und implementiert werden. Dadurch kann auch weiterhin gewährleistet werden, dass maßgebliche Rückstandshöchstgehalte nicht überschritten werden.
Dies alleine würde die Anwendung umfangreicher sozialer und ökologischer Standards allerdings nicht garantieren. Auf Betreiben der Grünen-Bundestagsfraktion hat die Ampelkoalition deshalb die Bedingungen für eine Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens klar festgelegt. Dazu gehört der Abschluss einer praktisch durchsetzbaren Zusatzvereinbarung zum Schutz und Erhalt der bestehenden Waldflächen.
Ein Gutachten, das im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion erstellt wurde, zeigt konkret auf, wie sich ein verbindliches Waldschutzinstrument im Rahmen einer Vertragsergänzung völkerrechtlich in das Abkommen einbinden lässt. Neben umsetzbaren und überprüfbaren Verpflichtungen zum Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsschutz muss eine praktisch durchsetzbare Zusatzvereinbarung zum Schutz und Erhalt bestehender Waldflächen abgeschlossen werden. Das bekannt gewordene Auslegungsinstrument der EU-Kommission entspricht diesen Anforderungen nicht, es brächte keine substanziellen Verbesserungen des Waldschutzes – zu diesem Schluss kommt das Gutachten der Grünen.
Vor diesem Hintergrund steht der EU-Mercosur-Vertrag aus unserer Sicht nicht zwingend im Widerspruch zu umfassenden sozialen und ökologischen Standards, sofern dafür Sorge getragen wird, dass nachhaltigkeitsbezogene Maßnahmen im Rahmen der bereits erwähnten Zusatzvereinbarung wirksam aufgenommen werden. Die Maßnahmen werden derzeit von der EU-Kommission sondiert.