Frage an Birgit Schnieber-Jastram von Klaus-Peter S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Schnieber-Jastram,
in Luxemburg kommen 38.000 Wahlberechtigte auf einen Abgeordneten,in Deutschland 628.000.Das Ungleichgewicht verschafft den Luxemburgern das sechszehnfache Stimmgewicht.Nach deutschem Wahlrecht ist das völlig unzulässig und beeinträchtigt die deutschen Interessen in der EU. ( Quelle: Buch ,Volksparteien ohne Volk, von Arnim).
Ist Ihnen dieser Umstand bekannt, und wie bewerten Sie diesen?
Ist Ihnen bekannt,dass es bereits ernsthafte Bestrebungen gibt,diese Wahl anzufechten mit der Folge und dem Ziel,dass die EU-Wahl 2009 ungültig ist und wiederholt werden muss? Ist Ihnen bekannt, ob die deutschen EU-Abgeordneten diesem Missstand womöglich auch noch großzügig zugestimmt haben?
Mit freundlichem Gruß
Klaus-Peter Steinberg
Sehr geehrter Herr Steinberg,
Sie haben Recht. Die Anzahl der Abgeordneten eines EU-Mitgliedslands ist nicht direkt proportional zu seiner Bevölkerungsgröße. Die Gründe dafür sind vielfältig.
Das Ziel dieser so genannten degressiven Stimmverteilung ist es, die Mitbestimmungsmöglichkeiten der kleineren und mittleren Staaten der Europäischen Union zu verbessern. Deren Anliegen liefen ansonsten unter Umständen Gefahr, durch die Intervention von wenigen großen Mitgliedstaaten blockiert zu werden. Auf der anderen Seite wird aber auch gewährleistet, dass die Bevölkerungszahl der größeren Mitgliedsstaaten eine angemessene Berücksichtigung findet.
Außerdem wird so sichergestellt, dass jeder Abgeordnete in den Plenar- und Ausschusssitzungen genügend Raum und Möglichkeiten hat, sich angemessen zu beteiligen und die Bürokratie und Personalkosten nicht unzulässig steigen. Und es soll gewährleistet werden, dass auch das Parteienspektrum kleiner Länder im Parlament angemessen repräsentiert ist. Es handelt sich dabei letztlich um die Anwendung der eigentlich von Ihnen für alle Bürger gestellten Forderung "one man, one vote" auf der Ebene der Staaten. Ein Staat, mindestens eine Stimme. Bei der Frage, wo dieses Prinzip notwendigerweise eingeschränkt werden soll, entschied man sich für die größeren Länder, die ohnehin sehr einflussreich sind und die häufig gemeinsame Interessen haben. Frankreich, Italien, Großbritannien und Spanien liegen mit ihrem Verhältnis übrigens noch hinter Deutschland.
Aber grundsätzlich ist das natürlich keine optimale Lösung im urdemokratischen Sinne von "one man, one vote". Es ist aber auch nicht gänzlich undemokratisch. Denn über diese Abgabe von Macht wurde ja schließlich vorher demokratisch auf Bundesebene entschieden. Das Bundesverfassungsgericht wird in der anstehenden Entscheidung über den Reformvertrag von Lissabon mit großer Wahrscheinlichkeit auf diesen Punkt eingehen.
Aber man muss dabei auch bedenken. Die Europäische Union ist eben kein Staat. Sie ist etwas mehr als ein Staatenbund - also keine Zwangsgemeinschaft. Und kein Mitglied wird sich seine Stimme nehmen lassen. Das wäre aber bei einer absolut proportionalen Wahl, wie bei der Wahl zum Bundestag, der Fall. Denn entweder müsste die Anzahl der von einem Abgeordneten vertretenen Bürger so groß sein, dass die kleinen Länder gar keine Sitze bekämen.
Oder das Europaparlament würde umgekehrt eine nicht mehr arbeitsfähige Größe annehmen, wenn die Zahl der Parlamentarier aus den kleinen Ländern beibehalten und die aus den großen Ländern bis zur direkten Proportionalität aufgestockt würde. Deshalb wurde eine Höchstzahl von Abgeordneten pro Land vorgesehen.
Nun zum zweiten Teil Ihrer Frage. Ich weiß, dass es verschiedene Bestrebungen gibt, diese Wahl anzufechten. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass keiner dieser Versuche Erfolg haben wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Birgit Schnieber-Jastram