Frage an Birgit Kilian von Sascha L. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Kilian,
die Bertelsmann Stifung kommt zu dem Ergebnis rund die Hälfte aller (vor allem ländlichen) Krankenhäuser zu schließen. Wie positionieren Sie sich dazu?
Sehr geehrter Herr Ley.
Ich bedanke mich für Ihre Frage, die ich hiermit gerne beantworte.
Grundsätzlich greift die Bertelsmann-Studie ja auf das dänische Reformmodell zurück. Dort hat man begonnen, zahlreiche kleine Krankenhäuser zu schließen, um diese bis 2025 durch komplett neu errichtete Großkrankenhäuser zu ersetzen. Ziel dieser Reform soll es sein, in den neuen Kliniken mit höheren Fallzahlen den daraus resultierenden umfangreicheren Erfahrungen der Ärzt*innen eine deutlich bessere Qualität der medizinischen Versorgung zu erreichen. Was aber in einem vergleichsweise kleinen Staat mit einer deutlich geringeren Einwohnerzahl richtig und sinnvoll ist, lässt sich auf die hiesigen Verhältnisse nicht 1:1 übertragen. In unseren Ballungsräumen ist es durchaus vernünftig, wenn mehrere, dicht beieinander liegende Kliniken sich jeweils auf einzelne Fachgebiete spezialisieren, was ja auch schon zum Teil so praktiziert wird, ohne dass dadurch Probleme durch Unterversorgung oder fehlende Behandlungsmöglichkeiten entstehen.
Im ländlichen Raum hingegen ist die Situation eine andere. Hier müssen wir auch in Zukunft eine flächendeckende medizinische Grundversorgung gewährleisten. Gerade in Notfällen wäre es oft fatal, würde man Patient*innen zunächst viele Kilometer durchs Land transportieren müssen, um eine Erstversorgung stattfinden zu lassen. Sicher können Notärzte und Rettungsdienste schon einiges dazu leisten, aber dennoch müssen medizinische Geräte, Labore und Behandlungsräume auch im Nahbereich verfügbar sein, um schnell erforderliche Diagnosen und Eingriffe zu ermöglichen.
Ebenso ist es vernünftig, auch in der Fläche Behandlungsmöglichkeiten für „Routinefälle“ vorzuhalten. Ich denke dabei unter anderem an Geburtsabteilungen, Unfallchirurgien oder pädiatrische und gerontologische Abteilungen. Gerade bei Kindern und älteren Menschen ist es wichtig, dass Angehörige oder Freund*innen ohne großen Aufwand und lange Anfahrten regelmäßig zu Krankenbesuchen kommen können, denn bekanntermaßen trägt es immens zur Heilung bei, wenn auch das psychische und emotionale Wohl der Patient*innen gewahrt bleibt.
Darüber hinaus müssen wir bedenken, dass eine Schließung von Kliniken im ländlichen Raum , die ohnehin teils schon sehr ausgedünnte Infrastruktur noch weiter schwächen würde. Bereits jetzt ist es in vielen Gegenden so, dass keine Arztpraxis mehr vorhanden ist. Wenn dann auch noch Kliniken geschlossen werden, wird es Regionen geben, die ganz ohne medizinische Nahversorgung auskommen müssen, was mittelfristig die Abwanderung in die Ballungszentren mit allen daraus resultierenden Problemen für Städte und ländliche Regionen weiter verstärken wird.
Für mich ist klar, dass eine Reform der Krankenhausstrukturen nicht am „grünen Tisch“ und nicht allein mit dem Taschenrechner erfolgen kann. Hier müssen lokale Strukturen und Gegebenheiten einzeln betrachtet werden, und die lokal Verantwortlichen müssen für jede einzelne Region maßgeschneiderte Lösungen finden. Das Hauptaugenmerk muss dabei auf den Menschen liegen. Gerade bei dem so sensiblen Thema Gesundheit, das schließlich jeden von uns betrifft, dürfen Kostenreduktionen oder gar Gewinnmaximierungen keine Rolle spielen. Hier geht es um essenzielle Fragen des Daseins. Es geht um das Wohl der Menschen, nicht um wirtschaftliche Effizienz.
Sie sehen, dass es auf eine scheinbar einfache Frage auch in diesem Fall keine einfache Antwort gibt, wenn politische Entscheidungen weitreichende Folgen wirtschaftlicher, struktureller und ganz besonders auch ethischer Natur nach sich ziehen. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass wir sicherlich über Krankenhausreformen nachdenken müssen, sofern es so zu einer echten Qualitätssteigerung kommt, ohne dass dabei die medizinische Grundversorgung vor Ort geschwächt wird. Das ist keine unlösbare Aufgabe, aber ein entsprechender politischer Wille ist dafür zwingend notwendig. Ich hoffe, dass sich nach der Wahl eine Mehrheit für ein mutiges und zukunftsorientiertes Krankenhausgesetz findet. Ich jedenfalls bin bereit, im Sinne der Menschen in Sachsen daran mitzuwirken.
Mit freundlichen Grüßen
Birgit Kilian